Zitate zu "Förderung"
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Gewerke Emmerich Assmann
Wir würden gerne Förderungen nehmen, weil wir glauben, daß wir damit umgehen können.
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Hl. Aurelius Augustinus
Man soll nicht so ganz der Muße leben, daß man in seiner Zurückgezogenheit auf die Förderung des Nächsten gar nicht Bedacht nimmt, noch auch so völlig im öffentlichen Dienste aufgehen, daß man die Betrachtung der göttlichen Dinge nicht für nötig hält.
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Hillary Clinton
Das volle Potential und Talent von Frauen und Mädchen auszuschöpfen ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine Frage der Förderung des Friedens weltweit, des Fortschritts und Wohlstandes für kommende Generationen.
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DER STANDARD
Weniger Steuerzuckerln und soziale Staffelung von Förderungen.
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DIE PRESSE
Fiskal-Lkw: Förderung nur für echte Laster.
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DIE PRESSE
SPÖ, ÖVP einig: Förderungen sollen in einer Hand zusammengefaßt werden.
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Albert Einstein
Wissenschaftliche Forschung kann durch Förderung des kausalen Denkens und Überschauens den Aberglauben vermindern. Es ist gewiß, daß eine mit religiösem Gefühl verwandte Überzeugung von der Vernunft bzw. Begreiflichkeit der Welt aller feineren wissenschaftlichen Arbeit zugrunde liegt.
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Dr. Johann Farnleitner
Wir haben leider die Unternehmen eher dazu trainiert, Förderungen zu exportieren statt Produkte.
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Werner Faymann
Sehr verehrter Herr Bundespräsident! /// Sehr verehrte Frau Nationalratspräsidentin! /// Sehr verehrte Mitglieder der Bundesregierung! /// Sehr verehrter Herr Wirtschaftskammerpräsident! /// Sehr geehrte Damen und Herren! /// Österreich ist unbestritten ein erfolgreiches Land. Es ist ein erfolgreiches Land, weil die Menschen in unserem Land etwas geschaffen haben, auf das wir zu Recht gemeinsam stolz sein können. /// Österreich ist ein Land, das wirtschaftlich erfolgreich ist und in sozialen Fragen, im Zusammenleben ein Vorbild in Europa darstellt. Dieses erfolgreiche Land wird in Europa oftmals als Beispiel für die Vereinbarkeit von Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Ausgleich herangezogen. Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Ausgleich müssen kein Gegensatz sein, im Gegenteil, sie bedingen einander. /// Nur sozialer Frieden, für die Bevölkerung auch wahrnehmbare Fairness, ist die beste Grundlage für die Entwicklung einer Demokratie. Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit sind die beste Garantie dafür, dass diese sozialen Leistungen, auf die wir gemeinsam stolz sein können, auch finanzierbar bleiben. Daher hat eine Regierungserklärung, ein Regierungsprogramm, zur Aufgabe, diese beiden Faktoren zu sichern und auszubauen. /// In Europa gibt es derzeit viele Regionen, die stark von Armut, von hoher Arbeitslosigkeit, besonders großer Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind. Ein bisschen mehr von dem Prinzip, wie wir es in Österreich durch gemeinsame Politik zustande gebracht haben, wird auch unser Auftrag sein, dieses Europa mit einer starken Stimme Österreichs voranzubringen. /// Ein friedliches Zusammenleben setzt unter anderem voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger in ihren sozialen Leistungen das Gefühl haben, dass der Staat eine Schutzfunktion für sie dort ausübt, wo sie es brauchen; eine Schutzfunktion dort ausübt, wo jüngere Menschen von verschiedener sozialer Herkunft die Chance bekommen, durch Bildung und Ausbildung das beste Rüstzeug für ihr Leben zu erhalten; eine Schutzfunktion auch dahingehend ausübt, dass ältere Menschen von ihren Pensionen leben können, damit die Pflege, das Spitalswesen, das Gesundheitswesen nicht einfach nur auf dem Papier vorhanden sind, sondern dann, wenn man sie braucht, auch zur Verfügung stehen. /// Wettbewerbsfähigkeit, Finanzierbarkeit und stabile Finanzen in einem Land zu erreichen, ist in einer Wirtschaftskrise, und aus der ist Europa noch lange nicht heraußen, ist auch Österreich noch nicht heraußen, eine doppelt schwierige Aufgabe. /// Es ist nicht die Zeit jener, die mit einem Wachstum von 3, 4 und 5 Prozent auf Einnahmensteigerungen verweisen können, wodurch gleichsam in einer Form von Automatismus dafür gesorgt wird, dass Leistungen indexiert, erhöht und verbessert werden können. Nein, die harte Aufgabe dieser Regierung mit Ihnen gemeinsam ist es, in den nächsten Jahren dafür zu sorgen, dass wir dort sparen und sparsam vorgehen, wo die öffentlichen Haushalte gefordert sind, Leistungen mit hoher Qualität effizienter zu erbringen. /// Das muss ein Regierungsabkommen genauso enthalten wie natürlich die Fülle an Maßnahmen, die wir gemeinsam in den nächsten fünf Jahren zu setzen haben. /// Ich möchte mich bei allen Verhandlerinnen und Verhandlern auch in diesem Kreis bedanken, weil ich weiß, dass es bei einer Regierungsbildung viele sind, auch Experten von außen, die gar keiner Partei angehören, die mitwirken und mithelfen, dass eine derartige Grundlage zustande kommt. /// Ich bitte auch Sie, diese Diskussion konstruktiv zu führen in der Absicht, dass wir unserem Land das Beste wünschen, und das Beste heißt, gemeinsam, mit gemeinsamer Kraft dafür zu sorgen, dass diese Leistungen auch in Zukunft abgesichert und ausgebaut werden, denn ohne Veränderungen ist es nicht möglich, diesen Status, auf den wir so stolz sind, zu halten. Im Ländervergleich hat Österreich innerhalb der Europäischen Union die geringste Arbeitslosigkeit und liegt an zweiter Stelle, was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft. /// Wir Österreicherinnen und Österreicher sind bei der Eurostat-Erhebung vorgerückt - vom fünften Platz auf den zweiten Platz in der Frage der Wirtschaftskraft pro Kopf. /// Das sind Zahlen, hinter denen viel Arbeit steht: die der Unternehmerinnen und Unternehmer dieses Landes, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Sozialpartner; die Arbeit einer gemeinsamen Politik. Das ist die Basis sowohl für die Weiterentwicklung der Schutzbestimmungen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der dafür notwendigen Maßnahmen. /// Seit den neunziger Jahren hat sich der Wert der heimischen Exporte verdreifacht. Die Zinsen für österreichische Staatsanleihen, also eine für uns nicht nur als Selbstzweck wichtige statistische Messlatte, sondern als wesentlicher Nachweis dafür, wie wir unsere Steuermittel einsetzen, zeigen, dass wir auf den internationalen Märkten so beurteilt werden, dass wir am historisch niedrigsten Stand dieser Zinsen sind. /// Das hängt nicht alleine damit zusammen, dass wir in unserem Land das eine oder andere verbessert haben oder verbessern, sondern damit, dass die Kluft in Europa größer geworden ist zwischen jenen, deren finanzielle Haushalte und deren Stabilität einfach noch viel schlechter eingeschätzt wird, als das vor der Wirtschaftskrise der Fall war, und jenen, die gut durch die Krise kommen, jenen, deren Finanzen und deren Haushalt stabil eingeschätzt werden, die davon natürlich besonders profitieren. /// Unsere Aufgabe ist es daher, bei jenen dabei zu sein, die - so wie Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, also einige wenige in diesem Spitzenfeld - auch in Zukunft mit niedrigen Zinsen für Staatsanleihen, und das ist ja unbestritten notwendig, rechnen können. Aber man kann nur dann damit rechnen, dass unser hart verdientes Steuergeld in unserem Land nicht in höhere Zinsen fließt, wenn man auch die nötigen Maßnahmen setzt und die Stabilität unserer Finanzen sichert. /// Das ist eine harte Aufgabe, denn fürs Sparen ist ja jeder - wenn er selbst betroffen ist, natürlich mit einem anderen emotionalen Entgegenkommen als wenn es um das Prinzip der Sparsamkeit an sich geht. Aber auch dieses ist kein Selbstzweck, sondern soll uns in die Situation versetzen, dass wir auch in Zukunft die besten Voraussetzungen haben, nicht in der Größenordnung von etwa 3, 4, 5 oder 6 Prozent Zinsen für Staatsanleihen zu bezahlen. Ein Prozent macht 2 Milliarden Euro pro Jahr aus, durchgerechnet auf die Dauer der Anleihe. Das alleine zeigt, wie wichtig es ist, dass wir die Finanzen stabil halten. /// Auch die Entwicklung unseres Landes betreffend Beschäftigung zeigt, dass es trotz erhöhter Beschäftigung und Rekordzahlen, die der Sozialminister immer wieder durch die Zahl der Beschäftigten in unserem Land zum Ausdruck bringen kann, Grund zur Sorge gibt, da viele dieser Beschäftigungsverhältnisse - gerade bei jungen Leuten - immer stärker auch im Bereich von prekären Arbeitsverhältnissen liegen. Hier ist eine der Herausforderungen der Gesellschaft, die Beschäftigungsverhältnisse in unserem Land nicht zu Ungunsten von jungen Leuten auseinanderbrechen zu lassen, wie auch in anderen, reichen Ländern Europas - ich rede nicht von den ärmsten Ländern, ich rede von den reichsten Ländern Europas. /// Diese Entwicklung hin zu manchen Verträgen bei jungen Leuten, wenn diese sehr viel von ihrer Leistung nicht abgegolten bekommen und keine Sicherheit erhalten, zeigt, dass wir auch in diesem Bereich gemeinsam noch einige Anstrengungen für mehr Fairness zu erbringen haben. /// Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn es in der Gesellschaft Ungerechtigkeiten gibt - obwohl wir wissen, dass wir nicht in der Lage sind, mit einem Paukenschlag oder einer Einzelmaßnahme umfassende Fairness herzustellen -, deshalb haben wir in diesem Regierungsprogramm auch eine Reihe von Maßnahmen aufgelistet, die auch in Teilen der Wirtschaft bessere Ergebnisse liefern. Die Einschränkung bei der Gruppenbesteuerung, die Abschaffung der Steuerbegünstigung bei Managergehältern über 500.000 Euro, der Solidaritätszuschlag für Besserverdiener, den wir verlängert haben, der Kampf gegen Steuerbetrug und ein Sicherungsbeitrag für Privilegienpensionen sind Beispiele dafür. /// Steuerbetrug ist etwas, das nicht als Kavaliersdelikt zu betrachten ist, insbesondere jenen gegenüber nicht, die mit harter Arbeit und fairer Einstellung der Gemeinschaft gegenüber ihren Steuerpflichten nachkommen. Daher ist der Kampf gegen Steuerbetrug - auch auf europäischer Ebene -, das Bekämpfen von Steueroasen, das Einsetzen für die Finanztransaktionssteuer, mit besonderer Deutlichkeit auch in den kommenden Wochen, eine der wesentlichen Aufgaben. Die Bankenabgabe wird unter Beibehaltung des derzeitigen Aufkommens auf die Bemessungsgrundlage Bilanzsumme umgestellt, und der Satz für den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe wird gleichzeitig auf 45 Prozent erhöht. /// Die oft angesprochene Anhebung der Familienbeihilfe, die auch in diesem Haus zu Diskussionen geführt hat, ist für Mitte nächsten Jahres geplant, obwohl wir gleichzeitig in Zeiten geringer finanzieller Spielräume Investitionen gerade im Bereich von Sachleistungen erhöht haben. Unter den Offensivmaßnahmen in Milliardenhöhe finden sich der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen mit 350 Millionen Euro, Hochwasserschutzmaßnahmen, der Ausbau schulischer Tagesbetreuung mit alleine 400 Millionen Euro, die Forschungsförderung, der Wohnbau mit 276 Millionen Euro, Pflegegeld und 24-Stunden-Pflege, die Pflegefonds-Verlängerung sowie viele andere Bereiche in der Infrastruktur. Alle diese Dinge zeigen, dass wir uns leider nicht all das leisten können, was wir uns gerne leisten würden beim Ausbau und im Fortschritt unseres Landes, aber dass wir Investitionen in der richtigen Richtung im Rahmen unserer Spielräume vornehmen. /// Ich möchte Ihnen auch sagen, da Sie natürlich auch Anhebungen im steuerlichen Bereich in diesem Regierungsübereinkommen finden können, dass wir einen ganz bestimmten Weg bewusst nicht gegangen sind, den die meisten anderen Länder der Europäischen Union sehr wohl beschritten haben, nämlich jenen der Erhöhung der Mehrwertsteuer. /// Wir wissen, dass jede Erhöhung vom Bürger, der sie bezahlt, als eine Erhöhung und damit klarerweise auch als eine Belastung wahrgenommen wird, aber die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist eine besonders unfaire Maßnahme, die nicht nur von Ländern wie Griechenland, Italien, Kroatien, Spanien - also Ländern Südeuropas mit großen Finanzproblemen - als Maßnahme eingesetzt wird, um gegenzusteuern, nein, sie wurde 2013 auch erhöht etwa in Finnland auf 24 Prozent, sie wurde erhöht in den Niederlanden, also einem der reichsten Länder Europas, sie wurde aber auch bei unseren Nachbarn - etwa in Tschechien, in Slowenien, oder in Ungarn, dort sogar auf 27 Prozent - erhöht. Dies ist eine Maßnahme, die durch die Preise der Lebensmittel zwar schnell für die Steuer-, für die Finanzbehörden funktioniert, weil einfach nur die Kassa umgestellt wird, aber sie belastet die Haushalte in einem sehr unsozialen Ausmaß ungleich stärker. /// Wir haben abgesehen von diesen Maßnahmen im Wissen agiert, dass jede Erhöhung Auswirkungen hat - jede, und ich will keine kleinreden, auch nicht eine Anpassung, die über viele Jahre nicht geschehen ist, und auch diese will ich nicht kleinreden. Dem gegenüber steht aber eine Anpassung, etwa auch im Bereich der Pendlerpauschale, die wir vorgenommen haben, wir versuchen also auch dort gegenzusteuern, wo wir zielgruppengenau die Mobilität der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer erhöhen und verbessern können. /// Wenn wir das Kapitel der ganztägigen Schulen als ein Beispiel nehmen, wobei eine große Übereinstimmung in diesem Hause herrscht, dass die Weiterentwicklung der Schule und die Möglichkeit der ganztägigen Betreuung in der Schule einen Fortschritt, eine Verbesserung für unsere Kinder, für die Schülerinnen und Schülerin in unserem Lande darstellt, dann wollen wir bei diesem Ausbau ganztägiger Schulstandorte auch flächendeckend Beispiele setzen, wo wir sagen: Wir warten nicht darauf, bis in mühsamen Abstimmungsvorgängen irgendwann einmal eine Mehrheit kommt, sondern wir wollen von uns aus ganztägige Schulklassen in den Regionen anbieten, auch Schulklassen mit verschränktem Unterricht. /// Und ich weiß, dass gerade bei den ganztägigen Schulformen zwar viele Experten in aller Deutlichkeit sagen, das ist einer der wesentlichen Unterschiede zu den erfolgreichen Ländern, also jenen, die in der PISA-Studie vor uns sind - und wenn man sich den Unterschied ansieht, dann ist die ganztägige Schule offensichtlich ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg -, ich weiß aber, dass es in der Bevölkerung hier keine so flächendeckende Übereinstimmung gibt, obwohl man insbesondere beim verschränkten Unterricht den Vorteil hat, dass man die Nachhilfelehrer nicht benötigt, weil in der Schule sehr viel an Förderung, an Unterstützung, auch an Ausgleich von Benachteiligung passiert. Viele Eltern in unserem Lande sind noch nicht so überzeugt von diesem Schulmodell, aber ich glaube, dass wir mit den Beispielen, die wir setzen, das Prinzip der Freiwilligkeit beibehalten und in diesem Prinzip der Freiwilligkeit für dieses Modell besonders werben. /// Die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl sowie der Ausbau der Neuen Mittelschule hat eine Reihe von Grundlagen geschaffen, auf die wir aufbauen können. Auch die Ausbildung bis zum 18. Lebensjahr, die Ausbildung über den Pflichtschulabschluss hinaus, ist etwas, das uns sehr beschäftigt, wenn wir näher analysieren wollen, warum denn junge Leute arbeitslos sind. Hier gibt es doch einen Nachholbedarf, insbesondere im Bereich von Mindestqualifikationen und Schulabschlüssen. Das Nachholen dieses Pflichtschulabschlusses einerseits, andererseits auch eine Verbesserung der dualen Ausbildung, die wir übrigens in ganz Europa zur Ausbildung von Facharbeitern benötigen würden, steht hier ganz oben auf der Agenda. /// Fairness am Arbeitsmarkt in allen Bereichen, beispielsweise durch Einschränkung von sogenannten All-in-Verträgen, die oft die Leistungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht bezahlen. /// All diese Dinge, die mit Korrektheit, mit Anständigkeit, mit Fairness zu tun haben, müssen gemeinsam ausgebaut werden, gemeinsam mit den Sozialpartnern unseres Landes, denn "gemeinsam" heißt, sich zu respektieren, heißt, dass Interessengegensätze nicht verheimlicht, nicht verniedlicht, sondern in konstruktiver, gemeinsamer Weise ausverhandelt und gelöst werden. /// Bei älteren Arbeitnehmern schafft ein Bonus-Malus-System Anreize, damit Unternehmen ältere Mitarbeiter einstellen. Wir wissen - ich darf Ihnen das nochmals sagen -, dass, wenn wir bis zum Jahr 2018 das faktische Pensionsalter um 1,7 Jahre anheben wollen, es einer Leistung bedarf, die rückblickend in unserem Land noch nie in einem vergleichbaren Zeitraum stattgefunden hat. Das Höchste war bisher eine Anhebung von einem Drittel des Zeitraumes. /// Eine Voraussetzung dafür ist aber auch, dass es die dafür notwendigen Arbeitsplätze gibt, und deshalb ist das Bonus-Malus-System ein Beispiel, wo wir durchaus auch von anderen Ländern lernen können. Ich halte nichts von der Aussage: "Wir leben im eigenen Land, und was geht uns alles andere in dieser Welt an?" - Wer so engstirnig ist, der wird in der Wissenschaft nichts, der wird in der Wirtschaft nichts erreichen. Daher ist diese Offenheit anderen Systemen und Ländern gegenüber auch wichtig. /// Es zeigt sich gerade beim Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer, dass es Länder gibt, die Modelle geschaffen haben, wo der Wert von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bedeutend ist, und wo es auch eine gesellschaftspolitische Grundeinstellung ist, zu sagen: Wir reden nicht nur darüber, wie lange jemand arbeiten sollte, sondern wir - Wirtschaft und Gemeinschaft - fühlen uns gemeinsam dazu verpflichtet, dass es diese Arbeitsplätze tatsächlich gibt. Daher messe ich der Diskussion bezüglich älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch in unserem Land eine besondere Bedeutung zu. /// Nun werden viele fragen: Aber was ist, wenn ihr dieses Ziel nicht erreicht? Was ist, wenn ihr euch mit den Maßnahmen, die ihr gesetzt habt und die ihr setzen wollt und mit dem engagierten Umsetzen auch jener Beschlüsse, die zu einem großen Teil schon gefasst wurden oder sich in Umsetzung befinden, um das faktische Pensionsalter zu erhöhen, übernommen habt? Meine Antwort lautet, dass wir als Regierung wissen, dass wir nicht einfach ein Rezeptbuch vorzulegen haben, sondern selbstverständlich Punkt für Punkt dort, wo etwas nicht so läuft, wie wir es vorhaben beziehungsweise wie es auch notwendig ist für das Land, nachzujustieren haben. /// Das ist keine Besonderheit, dass, wenn etwas aus dem Ruder läuft, wir uns hinstellen und erklären, welche unserer Maßnahmen besonders gut funktionieren, welche besonders gut gegriffen haben und bei welchen nachgebessert und wodurch sie verbessert werden - auch das soll in einem Geiste der Gemeinsamkeit und Teamfähigkeit passieren. /// Ich möchte betreffend den Gesundheitsbereich beziehungsweise der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zwei Beispiele hervorheben, wo es darauf ankommt, den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, dass das Steuerniveau, das wir als eines der reichsten Länder Europas haben, auch dafür eingesetzt wird, dass wir einen Rekordstand an Kinderbetreuungsplätzen haben und diesen durch Ausbau weiter erhöhen werden. /// Es gilt, diese weißen Flecken zu schließen, die es immer noch gibt, damit auch die Fragestellung aufzugreifen, wie viel denn in einem Umlagensystem für die nächste Generation einbezahlt wird; das heißt vom Fortschritt einer Gesellschaft zu handeln, denn diese Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfordert den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. /// Und damit bin ich bei einem wesentlichen Punkt, der die Zusammenarbeit mit den Bundesländern anspricht. Es wird in unserem Land, wenn wir den Föderalismus ernst nehmen, eine enge und gute, auch eine hartnäckige Zusammenarbeit und Durchsetzung unserer Interessen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geben müssen, um diese Aufgaben, die durch die Kompetenzverteilung oft von mehreren wahrzunehmen sind, gemeinsam zu bewerkstelligen. /// Dazu gehört auch der Bereich Transparenz. Wenn wir heute nicht klar sagen können, welche Einzelförderungen es für Bürgerinnen und Bürger, für einzelne Unternehmen auf Landes- oder Gemeindeebene gibt, dann müssen wir hier eine Transparenz schaffen, damit auch in Zukunft im Geiste der Solidarität die Richtigen das bekommen, was wir gemeinsam als Ziele definiert haben. /// Auch der Bereich Landwirtschaft, des ländlichen Raumes, der Bereich der Vielfalt unseres Landes und der notwendige Respekt für diesen Bereich in unserer Gesellschaft müssen in dieser engen Zusammenarbeit zum Ausdruck kommen. Es macht keinen Sinn, wenn die einen den nötigen Respekt bei den Arbeitern oder etwa bei den Eisenbahnern vermissen lassen und dafür die anderen den nötigen Respekt bei den Menschen, die im landwirtschaftlichen Bereich tätig sind. Wir brauchen den Respekt in unserer Gesellschaft als Grundwert der Gemeinsamkeit. Das werden wir doch aus unserer Geschichte gelernt haben. /// Im Gesundheitsbereich hat die Pflege deshalb einen besonderen Stellenwert, weil die Menschen älter werden, aber auch deshalb, weil sich durch die hohe Erwerbsquote von Frauen das, was früher im Rollenbild ohnehin nicht immer sehr fair, aber Tatsache war, dass Frauen die Pflege von Familienangehörigen übernommen haben, durch die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen und durch den Fortschritt in unserer Gesellschaft, da sie selbst auch wirtschaftlich aktiv sind, geändert hat. Dass dieser Bereich der Pflege, die Betreuung zu Hause und die mobile Pflege, seine entsprechende Berücksichtigung und Förderung findet, damit die Menschen möglichst lange zu Hause bleiben und gepflegt werden können, ist ein Schwerpunkt der Arbeit der nächsten fünf Jahre, der ebenfalls mit Respekt, insbesondere zum Großteil natürlich gegenüber älteren Menschen in unserem Land, zu tun hat. /// Zur Umwelt. Wenn wir im Bereich der erneuerbaren Energien Leistungen erbringen wollen, wenn wir unserer Vorreiterrolle im Zusammenhang mit unserer gemeinsamen Gegnerschaft zu Kernkraftwerken gerecht werden wollen, dann sind wir gefordert, gerade im Bereich der Wärmedämmung, also der Effizienzverbesserung und Einsparung von Energie, aber auch im Ausbau von erneuerbarer Energie, in der Forschung beginnend, Zeichen zu setzen, die belegen, dass es in Österreich richtig war, nicht auf Kernenergie zu setzen, und dass es richtig ist, in Europa nicht auf Kernenergie zu setzen. /// Wissenschaft und Forschung. Viele Bereiche, die damit zu tun haben, dass wir Schlüsselfragen über die Zukunft unserer Gesellschaft zu verantworten haben, werden von engagierten Vertretern gemeinsam mit den dafür verantwortlichen Regierungsmitgliedern deshalb vorangetrieben, weil die Frage, wie stark ein Land in seiner Innovationskraft ist, natürlich hier einen besonderen Niederschlag finden muss. /// Ich möchte aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch jenen danken, die bisher in der Regierung tätig waren. Und ich weiß, dass ihre Arbeit nicht leicht war, gerade wenn es um Einsparungen gegangen ist. Wir haben die letzten Jahre versucht, Österreich mit einem Konsolidierungskurs durch die Krise zu führen - der Gouverneur der Österreichische Nationalbank Ewald Nowotny hat gesagt, wir haben hier ein gutes Beispiel gesetzt -, mit einem Konsolidierungskurs, der die Kaufkraft der Menschen berücksichtigt, der die Investitionskraft berücksichtigt und der im Unterschied zu anderen Ländern in einer moderaten, maßhaltenden, aber konsequenten Art vorangetrieben wurde. Viele dieser Kolleginnen und Kollegen, die in der Regierung in der jüngeren Vergangenheit für uns tätig waren, haben hier große Leistungen erbracht. /// Ich möchte mich bei Dr. Claudia Schmied, bei Dr. Maria Theresia Fekter, bei Dipl.-Ing.Nikolaus Berlakovich, bei Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl, bei Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töchterle, bei Mag. Andreas Schieder und bei Dr. Reinhold Lopatka auf das Herzlichste bedanken. /// Ich möchte zum Schluss noch einen Punkt besonders hervorheben, den ich bereits mehrfach angesprochen habe. Die budgetären Spielräume, die wir schaffen wollen, sei es für Steuerreform oder für Maßnahmen zur Verbesserung unseres Gesundheitssystems oder unserer sozialen Leistungen, wird es nur geben, wenn wir auch in der Verwaltung modernisieren. Wir haben vor, mit dem Durchforsten von Subventionen und Förderungen die erforderlichen Spielräume zu schaffen, um vieles von dem, was wir gemeinsam wollen, auch umsetzen zu können. Das beginnt bei Einzelmaßnahmen wie der Zahnspange für Kinder, deren Eltern sich die Zahnspange nicht leisten können, und geht bis zu Fragen der Forschung und Entwicklung, wo wir noch viel mehr zu investieren hätten, um diese so wichtigen Schlüssel für die Innovationskraft unserer Gesellschaft noch mit deutlich mehr Mitteln zu unterlegen. Auch in der Armutsbekämpfung fehlt es uns an vielen Ecken und Enden für das, was vom Herzen und vom Engagement her und von dem, wie sich die Gesellschaft eines Landes definieren sollte, notwendig ist. /// Diese Modernisierungen machen wir deshalb, um auch die nötigen Spielräume für mehr Fairness, für mehr Gerechtigkeit in unserem Land zu schaffen. /// Ich bin daher überzeugt und möchte damit zum Schluss kommen, dass unsere Heimat, auf die wir so stolz sein können, dann am besten weiterentwickelt wird, wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen.
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Theodor Fontane
Wissen ist gut, als Unterstützung, Förderung und Aufklärung im Praktischen; wenn es aber die Praxis ersetzen soll, ist es keinen Schuß Pulver wert.
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Joachim Gauck
"Die Freiheit in der Freiheit gestalten". Vor 23 Jahren stand ich auf den Stufen des Reichstagsgebäudes in Berlin und ich erinnere mich noch heute an den Klang der Freiheitsglocke, als um Mitternacht die Fahne der Einheit aufgezogen wurde. Es war der Abschluss einer bewegenden Zeit, vom Aufbruch im Herbst 1989 bis zum Tag der Vereinigung - für mich war es die beglückendste Zeit meines Lebens. // Der Freiheitswille der Unterdrückten hatte die Unterdrücker tatsächlich entmachtet - in Danzig, in Prag, in Budapest und in Leipzig. Was niedergehalten war, stand auf. Und was auseinandergerissen war, das wuchs zusammen. Aus Deutschland wurde wieder eins. Europa überwand die Spaltung in Ost und West. // Ich denke auch zurück an die Monate der Einigung, und nicht wenige der Abgeordneten der ersten frei gewählten Volkskammer sind heute unter uns. Wie viel Bereitschaft zur Verantwortung war damals notwendig, um Deutschland zu vereinen, wie viel Entscheidungsmut, wie viel Improvisationsgabe. Wie vieles war zu regeln: diplomatische und Bündnisfragen, grundsätzliche Weichenstellungen, hochwichtige, aber manchmal auch banale Details. Alle, die damals mitwirkten, waren Lernende, manchmal auch Irrende - aber immer waren sie, waren wir Gestaltende! Der 3. Oktober erinnert uns also nicht nur an die überwundene Ohnmacht. Er zeugt auch von dem Willen, die Freiheit in der Freiheit zu gestalten. // All das klingt nach am heutigen Tag, dem Tag der Deutschen Einheit. // Wir blicken zurück auf das, was wir konnten - dankbar für das Vertrauen, das andere in uns setzten, und stolz auf das, was wir seitdem erreicht haben: Ostdeutsche, Westdeutsche und Neudeutsche, alle zusammen - wir alle hier im Lande, zusammen mit Freunden und Partnern in Europa und der ganzen Welt. Das vereinigte Deutschland, es ist heute wirtschaftlich stark, es ist weltweit geachtet und gefordert. Unsere Demokratie ist lebendig und stabil. Deutschland hat ein Gesellschaftsmodell entwickelt, das ein hohes Maß an Einverständnis der Bürger mit ihrem Land hervorgebracht hat. Für viele Länder in der Welt sind wir sogar Vorbild geworden - für Menschen meiner Generation fast unvorstellbar. All das ist Grund zur Dankbarkeit und Freude - einer Freude, die uns heute aber vor allem Ansporn sein soll! // Unser Land steht nun wieder vor einem neuen Anfang - so wie alle vier Jahre. Wir hatten eine Wahl. 44 289 652 Deutsche haben darüber abgestimmt, welche Bürgerinnen und Bürger künftig mitbestimmen werden über die Dinge des öffentlichen Lebens. Meine Damen und Herren Abgeordnete hier: Ich wünsche Ihnen Leidenschaft, Ehrgeiz und Achtsamkeit für all das, was Sie gestalten müssen - und was auf uns zukommt. // Denn vieles fordert uns heute heraus. Besonders auf drei große Herausforderungen möchte ich heute eingehen. Entwicklungen, die nicht jederzeit und nicht für jeden im Alltag spürbar sind, weil sie langfristig wirken. Entwicklungen auch, die nicht mehr allein innerhalb der Landesgrenzen zu regeln sind. // Erstens: In einer Welt voller Krisen und Umbrüche wächst Deutschland neue Verantwortung zu. Wie nehmen wir sie an? Zweitens: Die digitale Revolution wälzt unsere Gesellschaft so grundlegend um wie einst die Erfindung des Buchdrucks oder der Dampfmaschine. Wie gehen wir mit den Folgen um? Beginnen möchte ich allerdings - drittens - mit dem demographischen Wandel. Unsere Bevölkerung wird in beispielloser Weise altern und dabei schrumpfen. Wie bewahren wir Lebenschancen und Zusammenhalt? // Tatsächlich wird es immer weniger Jungen zufallen, für immer mehr Ältere zu sorgen. Das schafft eine schwierige Lage, die unsere Kinder und Enkel möglicherweise erheblich einschränken wird. Andererseits entsteht dadurch ein Druck, der manches in Bewegung bringt, ja einfordert, was ohnehin überfällig und richtig ist. Arbeitgeber etwa sind längst dabei, um Zuwanderer zu werben. Oder ältere Menschen erhalten neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt und zudem nutzen immer mehr Ältere die Zeitspanne nach der Berufstätigkeit für bürgerschaftliches Engagement. Immer mehr Frauen streben ins Arbeitsleben und in Führungspositionen. Dort dürfen es noch mehr werden. Die starren Rollenbilder brechen weiter auf. Neue Vereinbarungen zwischen Mann und Frau, zwischen Familie und Beruf werden möglich. // Wenn die Gesellschaft der Wenigeren nicht eine Gesellschaft des Weniger werden soll, dann dürfen keine Fähigkeiten brach liegen. Wir wissen doch, dass es so viele sind, die mehr können könnten, wenn ihnen mehr geholfen und auch mehr abverlangt würde. Ich meine die formal Geringqualifizierten, die zu fördern und einzubinden sind. Ich meine Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern, in denen Bildungsehrgeiz oder Bücher einfach fehlen. // Jeder Einzelne ist doch mit ganz eigenen Möglichkeiten geboren - und es ist ganz egal wo, in Thüringen oder Kalabrien, in Bayern oder in Anatolien. Diese Fähigkeiten gilt es zu entdecken, zu entwickeln und Menschen sogar aus niederdrückender Chancenlosigkeit herauszuholen. Bildung auch als Förderung von Urteilskraft, sozialer Verantwortung und Persönlichkeit, Bildung als Grundlage eines selbstbestimmten, erfüllten Lebens - das ist für mich ein Bürgerrecht und ein Gebot der Demokratie. // Unser Ziel muss lauten: Niemand wird zurückgelassen, nicht am Anfang und nicht am Ende eines langen Lebens. Angenommen und gestaltet, vermag der demographische Wandel unsere Gesellschaft fairer und solidarischer, aber auch vielfältiger und beweglicher und damit zukunftsfähig zu machen. // Die Bedingungen dafür zu schaffen, ist vor allem Aufgabe der Politik. Die Politik hat sich zwar auf den Weg gemacht, das sehen wir alle - aber oftmals haben wir den Eindruck, sie bewegt sich nicht immer schnell genug. Wie lange ringen wir nun schon um die frühkindliche Betreuung? Oder um die Verbesserung unserer Pflegesysteme? Oder um Modernisierung in der Einwanderungspolitik und des Staatsbürgerschaftsrechts? // Mir ist bewusst - ich müsste noch über viele innenpolitische Herausforderungen sprechen: über die Energiewende, die erst noch eine Erfolgsgeschichte werden muss. Auch über Staatsverschuldung etwa oder die niedrige Investitionsquote, die nicht ausreicht, um das zu erhalten, was vorige Generationen aufgebaut haben. Und darüber, dass noch nicht ehrlich genug diskutiert wird über die Kluft zwischen Wünschenswertem und dem Machbaren. // Viele können in den kommenden Jahren vieles noch besser machen, damit die Jahrzehnte danach gut werden. So wie wir heute davon profitieren, dass wir vor einem Jahrzehnt zu Reformen uns durchgerungen haben, so kann es uns übermorgen nutzen, wenn wir morgen - meine Damen und Herren Abgeordnete! - wiederum Mut zu weitsichtigen Reformen aufbringen. Denn wir wollen doch zeigen und wir wollen es erleben, dass eine freiheitliche Gesellschaft in jedem Wandel trotz aller Schwierigkeiten neue Entfaltungsmöglichkeiten für den Einzelnen und für die Vielen erschließen kann. // Entfaltungsmöglichkeiten! Wie viele haben wir in den vergangenen Jahren hinzugewonnen, durch Internet und durch mobile Kommunikation - ein Umbruch, dessen Konsequenzen die meisten bislang weder richtig erfasst noch gar gestaltet haben. Wir befinden uns mitten in einem Epochenwechsel. Ähnlich wie einst die industrielle Revolution verändert heute die digitale Revolution unsere gesamte Lebens- und Arbeitswelt, das Verhältnis vom Bürger zum Staat, das Bild vom Ich und vom Anderen. Ja, wir können sagen: Unser Bild vom Menschen wird sich ändern. // Nie zuvor hatten so viele Menschen Zugang zu so viel Information, nie zuvor konnte man weltweit so leicht Gleichgesinnte finden, war es technisch einfacher, Widerstand gegen autoritäre Regime zu organisieren. Manchmal denke ich: Hätten wir doch 1989 damals in Mittel- und Osteuropa uns so miteinander vernetzen können! // Die digitalen Technologien sind Plattformen für gemeinschaftliches Handeln, Treiber von Innovation und Wohlstand, von Demokratie und Freiheit, und nicht zuletzt sind sie großartige Erleichterungsmaschinen für den Alltag. Sie navigieren uns zum Ziel, sie dienen uns als Lexikon, als Spielwiese, als Chatraum, und sie ersetzen den Gang zur Bank ebenso wie den ins Büro. // Wohin dieser tiefgreifende technische Wandel führen wird, darüber haben wir einfachen "User" bislang wenig nachgedacht. Erst die Berichte über die Datensammlung der Dienste befreundeter Länder haben uns mit einer Realität konfrontiert, die wir bis dahin für unvorstellbar hielten. Erst da wurde den meisten die Gefahr für die Privatsphäre bewusst. // Vor 30 Jahren, erinnern wir uns, wehrten sich Bundesbürger noch leidenschaftlich gegen die Volkszählung und setzten am Ende das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch. Dafür hat unser Bundesverfassungsgericht gesorgt. Und heute? Heute tragen Menschen freiwillig oder gedankenlos bei jedem Klick ins Netz Persönliches zu Markte. Viele der Jüngeren vertrauen sozialen Netzwerken sogar ihr ganzes Leben an. // Ausgeliefertsein und Selbstauslieferung sind kaum voneinander zu trennen. Es schwindet jene Privatsphäre, die unsere Vorfahren doch einst gegen den Staat erkämpften und die wir in totalitären Systemen gegen Gleichschaltung und Gesinnungsschnüffelei so hartnäckig zu verteidigen suchten. Öffentlichkeit erscheint heute vielen nicht mehr als Bedrohung, sondern als Verheißung, die Wahrnehmung und Anerkennung verspricht. // Sie verstehen nicht oder sie wollen nicht wissen, dass sie so mit bauen an einem digitalen Zwilling ihrer realen Person, der neben ihren Stärken eben auch ihre Schwächen enthüllt - oder enthüllen könnte. Der ihre Misserfolge und Verführbarkeiten aufdecken oder gar sensible Informationen über Krankheiten preisgeben könnte. Der den Einzelnen transparent, kalkulierbar und manipulierbar werden lässt für Dienste und Politik, Kommerz und Arbeitsmarkt. // Wie doppelgesichtig die digitale Revolution ist, zeigt sich besonders am Arbeitsplatz. Vielen Beschäftigten kommt die neue Technik entgegen, weil sie erlaubt, von Hause oder gar im Café zu arbeiten und die Arbeitszeit völlig frei zu wählen. Gleichzeitig wird aber die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit verwischt, was ständige Verfügbarkeit bedeuten kann - rund um die Uhr. // Historisch betrachtet, sind Entwicklungssprünge nichts Neues. Im ersten Moment erleben wir sie allerdings ratlos, vielleicht auch ohnmächtig. Naturgemäß hinken dann Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen der technischen Entwicklung hinterher. Wie noch bei jeder Innovation gilt es auch jetzt, die Ängste nicht übermächtig werden zu lassen, sondern als aufgeklärte und ermächtigte Bürger zu handeln. So sollte der Datenschutz für den Erhalt der Privatsphäre so wichtig werden wie der Umweltschutz für den Erhalt der Lebensgrundlagen. Wir wollen und sollten die Vorteile der digitalen Welt nutzen, uns gegen ihre Nachteile aber bestmöglich schützen. // Es gilt also, Lösungen zu suchen, politische und gesellschaftliche, rechtliche, ethische und ganz praktische: Was darf, was muss ein freiheitlicher Staat im Geheimen tun, um seine Bürger durch Nachrichtendienste vor Gewalt und Terror zu schützen? Was aber darf er nicht tun, weil sonst die Freiheit der Sicherheit geopfert wird? Wie muss der Arbeitsmarkt aussehen, damit der allzeit verfügbare Mensch nicht zu so etwas wie einem digitalen Untertanen wird? Wie existieren Familie und Freundschaften neben den virtuellen Beziehungen? Wie können Kinder und Jugendliche das Netz nutzen, ohne darin gefangen zu werden? // Wir brauchen also Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen, die diesem epochalen Wandel Rechnung tragen. // Gerade in Demokratien muss Politik schon reagieren, wenn ein Problem erst am Horizont auftaucht. Und sie muss ständig nachjustieren, sobald die Konturen klarer hervortreten. Das ist übrigens eine ihrer Stärken. // Diese Stärke ist es auch, die wir für eine weitere Herausforderung unserer Zeit brauchen: die europäische Integration. Ohne Zweifel ist das Europa in der Krise nicht mehr das Europa vor der Krise. Risse sind sichtbar geworden. // Die Krise hat Ansichten und Institutionen verändert, sie hat Kräfte und Mehrheiten verschoben. Die Zustimmung zu mehr Vergemeinschaftung nimmt ab. Nicht die europäischen Institutionen, sondern nationale Regierungen bestimmen wesentlich die Agenda. Zudem tauchen in Ländern, denen die Rezession vieles abverlangt, alte Zerrbilder eines dominanten Deutschlands auf. // Dies alles will diskutiert und abgewogen sein. Die gute Nachricht lautet: Ein starkes Band aus Mentalität, Kultur und Geschichte, es hält Europa zusammen. Entscheidend ist aber unser unbedingter Wille zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft. Europa, so spüren wir jetzt, kennt nicht nur eine Gestalt, auch nicht nur eine politische Organisationsform seiner Gemeinschaft. Da haben wir zu streiten und zu diskutieren über die beste Form der Zusammenarbeit, nicht aber über den Zusammenhalt Europas! Und unsere Einigungen haben wir so zu kommunizieren, dass die europäischen Völker die Lösungen akzeptieren und mittragen können. Es bleibt die Aufgabe der Politik - und als Bundespräsident nehme ich mich da überhaupt nicht aus - das Europa Verbindende zu stärken. // Was ist nun die Aufgabe Deutschlands in Europa und in der Welt? Manche Nachbarländer fürchten ja eine starke Rolle Deutschlands, aber andere wünschen sie sich. Auch wir selbst schwanken: Weniger Verantwortung, das geht eigentlich nicht länger, aber an mehr Verantwortung müssen wir uns erst noch gewöhnen. // Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schrieb die politische Denkerin Hannah Arendt: "Es sieht so aus, als ob sich die Deutschen nun, nachdem man ihnen die Weltherrschaft verwehrt hat, in die Ohnmacht verliebt hätten." Deutschland hatte, wir wissen es alle, Europa in Trümmer gelegt und Millionen Menschenleben vernichtet. Was Arendt als Ohnmacht beschrieb, hatte damals eine politische Ratio. Das besiegte Deutschland musste sich erst ein neues Vertrauen erwerben und seine Souveränität wiedererlangen. // Vor wenigen Wochen, bei meinem Besuch in Frankreich, da wurde ich allerdings mit der Frage konfrontiert: Erinnern wir Deutsche auch deshalb so intensiv an unsere Vergangenheit, weil wir eine Entschuldigung dafür suchen, den heutigen Problemen und Konflikten in der Welt auszuweichen? Lassen wir andere unsere Versicherungspolice zahlen? // Es gibt natürlich Gründe, diese Auffassung zu widerlegen oder ihr zu widersprechen. Die Bundeswehr hilft, in Afghanistan und im Kosovo den Frieden zu sichern. Deutschland stützt den Internationalen Strafgerichtshof, es fördert ein Weltklimaabkommen und engagiert sich stark in der Entwicklungszusammenarbeit. Deutschlands Beiträge und Bürgschaften helfen, die Eurozone zu stabilisieren. // Trotzdem, es mehren sich die Stimmen innerhalb und außerhalb unseres Landes, die von Deutschland mehr Engagement in der internationalen Politik fordern. In dieser Liste findet sich ein polnischer Außenminister ebenso wie Professoren aus Oxford oder Princeton. Ihnen gilt Deutschland als schlafwandelnder Riese oder als Zuschauer des Weltgeschehens. Einer meiner Vorgänger, Richard von Weizsäcker, ermuntert Deutschland, sich stärker einzubringen für eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik. // Es stellt sich tatsächlich die Frage: Entspricht unser Engagement der Bedeutung unseres Landes? Deutschland ist bevölkerungsreich, in der Mitte des Kontinents gelegen und die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Zur Stärke unseres Landes gehört, dass wir alle Nachbarn als Freunde gewannen und in internationalen Allianzen zu einem verlässlichen Partner geworden sind. So eingebunden und akzeptiert, konnte Deutschland Freiheit, Frieden und Wohlstand sichern. Diese politische Ordnung und unser Sicherheitssystem gerade in unübersichtlichen Zeiten zu erhalten und zukunftsfähig zu machen - das ist unser wichtigstes Interesse. // Deshalb ist es richtig, wenn andere ebenso wie wir selbst fragen: Nimmt Deutschland seine Verantwortung ausreichend wahr etwa gegenüber den Nachbarn im Osten, im Nahen Osten oder am südlichen Mittelmeer? Welchen Beitrag leistet Deutschland, um die aufstrebenden Schwellenländer als Partner der internationalen Ordnung zu gewinnen? // Und wenn wir einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anstreben: Welche Rolle sind wir dann bereit, bei Krisen in ferneren Weltregionen zu spielen? // Unser Land ist keine Insel. Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten verschont bleiben von den politischen und ökonomischen, den ökologischen und militärischen Konflikten, wenn wir uns an deren Lösung nicht beteiligen. // Ich mag mir nicht vorstellen, dass Deutschland sich groß macht, um andere zu bevormunden. Aber ich mag mir genauso wenig vorstellen, dass Deutschland sich klein macht, um Risiken und Solidarität zu umgehen. Und liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein Land, das sich so als Teil eines Ganzen versteht, muss weder bei uns Deutschen auf Abwehr noch bei unseren Nachbarn auf Misstrauen stoßen. // Nun habe ich Ihnen an diesem Tag der Deutschen Einheit einiges vorgetragen zur Rolle Deutschlands in der Welt, zur digitalen Revolution und zum demographischen Wandel. Was aber ist die Grundmelodie? Ich sehe unser Land als Nation, die nach Jahrzehnten demokratischer Entwicklung "Ja" sagt zu sich selbst. Als Nation, die das ihr Mögliche und ihr Zugewachsene tut, solidarisch im Inneren wie nach außen. Als Nation, die in die Zukunft schaut und dort nicht Bedrohung sieht, sondern Chancen und Gewinn. // Wir hatten eine Wahl - und wir haben sie weiterhin! Der 3. Oktober zeigt: Wir sind nicht ohnmächtig. Und handlungsfähig, das sind wir nicht erst dann, wenn wir das Ende einer Entwicklung kennen. Wir sind es bereits, wenn wir Verantwortung annehmen, mit dem, was wir jetzt wissen, jetzt können, gestaltend eingreifen. // Wir, zusammen einzigartig, schauen uns an diesem Festtag um. Wir sehen, was uns in schwierigen Zeiten gelungen ist. Und wir sind dankbar für all das, was gewachsen ist. Und eine Verheißung kann uns zur Gewissheit werden: Wir müssen glauben, was wir konnten. Dann werden wir können, woran wir glauben.
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Joachim Gauck
Der Tag der Deutschen Einheit. Das ist für unser Land seit 25 Jahren ein Datum der starken Erinnerungen, ein Anlass für dankbaren Rückblick auf mutige Menschen. Auf Menschen, deren Freiheitswille Diktaturen ins Wanken brachte, in Danzig, Prag und Budapest. Auf Menschen auch in Leipzig, Plauen und so vielen anderen Orten der DDR, die mit der Friedlichen Revolution die Vereinigung beider deutscher Staaten überhaupt erst vorstellbar werden ließen. Ich begrüße mit besonderer Freude diejenigen unter uns, die damals dabei waren. Wir wären heute nicht hier, wenn Sie damals nicht aufgestanden wären! // Am 3. Oktober denken viele von uns an den Klang der Freiheitsglocke, an die Freudentränen nicht nur vor dem Reichstag, an die Aufbruchsstimmung, die uns beherrschte, ja: an großes Glück. // Aber in diesem Jahr ist doch manches anders. So mancher fragt: Warum zurückblicken? Hat die Bundesrepublik momentan nicht drängendere Probleme, drängendere Themen als dieses Jubiläum? Was können wir feiern in einer Zeit, in der hunderttausende Männer, Frauen und Kinder bei uns Zuflucht suchen? Einer Zeit, in der wir vor so immensen Aufgaben für unsere Gesellschaft stehen? // Meine Antwort darauf lautet, ganz einfach: Es gibt etwas zu feiern. Die Einheit ist aus der Friedlichen Revolution erwachsen. Damit haben die Ostdeutschen den Westdeutschen und der ganzen Nation ein großes Geschenk gemacht. Sie hatten ihre Ängste überwunden und in einer kraftvollen Volksbewegung ihre Unterdrücker besiegt. Sie hatten Freiheit errungen. Das erste Mal in der deutschen Nationalgeschichte war das Aufbegehren der Unterdrückten wirklich von Erfolg gekrönt. Die Friedliche Revolution zeigt: Wir Deutsche können Freiheit. // Und so feiern wir heute den Mut und das Selbstvertrauen von damals. Nutzen wir diese Erinnerung als Brücke. Sie verbindet uns mit einem Erfahrungsschatz, der uns gerade jetzt bestärken kann. Innere Einheit, so machen wir uns klar, innere Einheit entsteht, wo wir sie wirklich wollen und uns dann ganz bewusst darum bemühen. Innere Einheit entsteht, wenn wir uns auf das Machbare konzentrieren, statt uns von Zweifeln oder Phantastereien treiben zu lassen. Und innere Einheit lebt davon, dass wir im Gespräch darüber bleiben, was uns verbindet und was uns verbinden soll. // Auch 1990 gab es die berechtigte Frage: Sind wir der Herausforderung gewachsen? Auch damals gab es - wir haben es schon gehört - kein historisches Vorbild, an dem wir uns orientieren konnten. Und trotzdem haben Millionen Menschen die große nationale Aufgabe der Vereinigung angenommen und Deutschland zu einem Land gemacht, das mehr wurde als die Summe seiner Teile. // Für mich steht die positive Bilanz im 25. Jahr der Deutschen Einheit außer Frage. Auch wenn es zuweilen Enttäuschungen gab, wenn Wirtschaftskraft und Löhne nicht so schnell gewachsen sind, wie die meisten Menschen in Ostdeutschland hofften, und wenn die finanzielle Förderung länger währt, als die meisten Westdeutschen wünschen, so ist doch gewiss: Die große Mehrheit der Deutschen, gleichgültig woher sie stammen, fühlt sich in diesem vereinten Land angekommen und zuhause. Die Unterschiede sind kleiner geworden und besonders in der jungen Generation, da sind sie doch eigentlich gänzlich verschwunden. Deutschland hat in Freiheit zur Einheit gefunden - politisch, gesellschaftlich, langsamer auch wirtschaftlich und mit verständlicher Verzögerung auch mental. // Es ist wieder zusammengewachsen, was zusammengehörte - Willy Brandt hat Recht behalten. Allerdings war der Prozess der Vereinigung deutlich schwieriger, als die meisten in der Euphorie vor 1989/90 glaubten. Beide Seiten hatten sich ihre Eindrücke vom "Drüben" ja lange nur aus der Ferne gemacht. Als wir einander schließlich direkt in Augenschein nehmen konnten, da waren viele Menschen überrascht, einige auch erschrocken. "Alles marode", sagten die einen. "Alles Show", fanden die anderen. // Eins stimmt natürlich: Noch hat der Osten das wirtschaftliche Niveau des Westens nicht erreicht. Gleichwohl, das Bild vom maroden Osten ist inzwischen Vergangenheit. Der äußere Wandel ist überdeutlich in Vorher-Nachher-Bildern darstellbar: hunderttausende von Eigenheimen, sanierte Straßen, Dörfer, Städte, gerettete Baudenkmäler und Kulturstätten, saubere Flüsse und Seen. All die runderneuerten Landstriche, sie geben Anlass zur Freude. Sie sind Zeugnisse einer großen gemeinsamen Anstrengung und Belege dafür, dass auch die Westdeutschen die Einheit als gesamtdeutsche Aufgabe angenommen haben, zeigten sie sich doch von Anfang an solidarisch mit jenen, von denen sie über Jahrzehnte getrennt worden waren. // Ich kann und will dies am heutigen Festtag nicht für selbstverständlich nehmen, sondern ich will es würdigen, ausdrücklich und dankbar. // In diesem Zusammenhang sollten wir uns außerdem bewusst machen, dass auch die Westdeutschen den Ostdeutschen ein Geschenk gemacht haben: mit dem Grundgesetz, das die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt, die Grundrechte sichert, mit einer funktionierenden Demokratie, einer unabhängigen Justiz und einem sozialen System, das die Schwachen auffängt. // Allerdings hat die Einheit den meisten Westdeutschen im täglichen Leben wenig abverlangt, den Ostdeutschen dagegen mit einem enormen Transformationsdruck sehr viel. Das neue Leben im Osten brachte ja nicht nur volle Einkaufsregale, schnelle Autos und bunte Reisekataloge. Es brachte auch die massenhafte "Abwicklung" sogenannter volkseigener Betriebe, brachte damit Massenarbeitslosigkeit und Massenabwanderung. Leere Werksgelände, leere Plattenbauten, leere Schulklassen - all das hinterließ seelische Spuren. Selbst für die Jüngsten von damals, die sich heute als "Wendekinder" bezeichnen, sind dies prägende Erinnerungen, sie sind in ihrem Gedächtnis geblieben. // Für 16 Millionen Menschen änderte sich in kürzester Zeit fast alles. Aber manches - gemessen an den großen Hoffnungen - eben nicht schnell genug. Erst allmählich wurde klar, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse und Mentalitäten in Ost und West eine Aufgabe, ein Prozess von Generationen - ja: Plural! - sein würde. // Schmerzlich mussten wir im Osten erfahren, dass wir Demokratie 1989/90 zwar über Nacht erkämpfen, nicht aber über Nacht auch erlernen konnten. Gestern Untertan, heute Citoyen: was für ein Irrtum! Ohnmacht hatte sich in vielen Köpfen eingenistet. Ohnmacht nach Jahrzehnten totalitärer Diktatur, in denen die Grundrechte der Menschen beschnitten und das eigenverantwortliche Tun gelähmt war, in denen freie Wahlen ein ferner Traum bleiben mussten. So erklärt sich die wohl größte Herausforderung der Ostdeutschen im vereinten Land. Es galt, jahrzehntelange Selbstentfremdung zu überwinden, möglichst im Zeitraffer. Es galt, genau das zu tun, was vorher alles andere als erwünscht war: selbständig zu denken, selbständig zu handeln. Von Freiheit nicht nur zu träumen, sondern Freiheit in der Freiheit tatsächlich zu gestalten. // Trotz aller Schwierigkeiten: Millionen Ostdeutsche haben den persönlichen Neuanfang gewagt und bewältigt, unter neuen Prämissen, in neuen Berufen oder an neuen Orten. Millionen haben die Brüche ihrer Biographien in Zukunft verwandeln können, haben Unternehmen gegründet und Verwaltungen demokratisiert, haben an Universitäten die freie Lehre und Forschung eingeführt, haben Vereine ins Leben gerufen, wo sich vorher der Staat für zuständig hielt. Millionen Menschen haben sich der fundamentalen Einsicht geöffnet: Neue Freiheit bietet neue Möglichkeiten, aber sie verlangt eben gleichzeitig die Übernahme neuer Verantwortung, auch Selbstverantwortung. Besonders diese Veränderungsleistung der Ostdeutschen war enorm. Sie wirkt bis heute nach. // Und genau an dieser Stelle möchte ich einmal Dank sagen all denen, die angepackt haben, die das gemacht haben, was sie vorher nie gelernt hatten: als ehren- oder hauptamtlicher Bürgermeister, als Abgeordneter, als Sekretär einer freien Gewerkschaft, als Verantwortlicher einer demokratischen Partei, als Minister, als Ministerpräsident, gar als Bundeskanzlerin - sie alle hatten niemals erwartet, zu tun, was sie dann taten. Wir schauen heute einmal auf sie alle - und sagen einfach "Danke". // Zu denen, die ich eben aufgezählt habe, gehört auch mancher unserer Gäste. Ich sehe in der dritten Reihe jemanden aus der polnischen Nachbarschaft, Bogdan Borusewicz, heute Senatspräsident der Republik Polen. Damals aber, in der Zeit, über die ich eben gesprochen habe, als wir alle ganz woanders waren, da war er ein unbekannter Mann aus der Mitte des Volkes, der mutiger und früher angefangen hat als wir und der uns zusammen mit seinen Landsleuten motiviert hat, auch etwas zu wagen. Danke! // Meine Damen und Herren, die innere Einheit Deutschlands konnte vor allem wachsen, weil wir uns als zusammengehörig empfanden und weil wir in Respekt vor denselben politischen Werten gemeinsam leben wollten. Doch nun, da viele Flüchtlinge angesichts von Kriegen, von autoritären Regimen und zerfallenden Staaten nach Europa, nach Deutschland getrieben werden, nun stellt sich doch die Aufgabe der inneren Einheit neu. Wir spüren: Wir müssen Zusammenhalt wahren zwischen denen, die hier sind, aber auch Zusammenhalt herstellen mit denen, die hinzukommen. Es gilt, wiederum und neu, die innere Einheit zu erringen. // Diese Entwicklung hat vor 25 Jahren niemand ahnen können. Damals, nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime und dem Ende des Ost-West-Konflikts, sahen wir sehr optimistisch in die Zukunft. Wir wähnten uns sogar am Beginn einer neuen Epoche. Die Überlegenheit der Demokratie schien schlagend bewiesen, ihr weltweiter Siegeszug nur noch eine Frage der Zeit. Wir erinnern uns an Francis Fukuyama, den amerikanischen Politologen, der das "Ende der Geschichte" verkündete. Mit ihm glaubten viele - auch ich - an eine gerechtere, friedliche und demokratische Zukunft. // Die Hoffnung auf eine solche Veränderung weltweit, sie ist jedoch zerstoben. Statt weiterer Siege von Freiheit und Demokratie erleben wir vielerorts das Vordringen autoritärer Regime und islamistischer Fundamentalisten. Statt mit größerer Friedfertigkeit sind wir konfrontiert mit Terrorismus, mit Bürgerkriegen, imperialen Landnahmen und einer Renaissance von Geopolitik. Und die Gemeinschaft der Europäer, die vor 25 Jahren begann, Ost- und Westeuropa zusammenzuführen, sie findet sich nun mit der Euro-Rettung, auch hier und da mit Austrittsdiskussionen und vor allem mit der Bewältigung der Fluchtbewegungen mitten in einer Zerreißprobe. // Aber was heißt es nun, die innere Einheit wieder und neu zu erringen, wenn sich die Zusammensetzung der Bevölkerungen in kurzer Zeit so erheblich verändert? Wie schaffen es Staaten, wie schaffen es Gesellschaften, ein inneres Band zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen herzustellen? Und wie kann die Europäische Union Einvernehmen erreichen, wenn die Haltungen gegenüber Flüchtlingen noch so unterschiedlich sind? // Noch führt der Druck die europäischen Staaten nicht völlig zusammen. Allerdings zeigen die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Union, dass die Einsicht wächst: Es kann keine Lösung in der Flüchtlingsfrage geben - es sei denn, sie ist europäisch. Wir werden den Zustrom von Flüchtlingen nicht verringern können - es sein denn, wir erhöhen unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Unterstützung von Flüchtlingen in den Krisenregionen, sowie vor allem zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Und auch das müssen wir uns klar machen: Wir werden unsere heutige Offenheit nicht erhalten können - es sei denn, wir entschließen uns alle gemeinsam zu einer besseren Sicherung der europäischen Außengrenzen. // Die Gewissheit über diese gemeinsamen Aufgaben hebt jedoch die Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten nicht automatisch auf. In den aktuellen Debatten offenbaren sich unterschiedliche Haltungen aufgrund unterschiedlicher historischer Erfahrungen. Wir erleben das ja schon bei uns, im wiedervereinigten Land, der Bundesrepublik Deutschland. Westdeutschland konnte sich über mehrere Jahrzehnte daran gewöhnen, ein Einwanderungsland zu werden - und das war mühsam genug: ein Land mit Gastarbeitern, die später Einwanderer wurden, mit politischen Flüchtlingen, Bürgerkriegsflüchtlingen und Spätaussiedlern. Für die Menschen im Osten war es doch ganz anders. Viele von ihnen hatten bis 1990 kaum Berührung mit Zuwanderern. Wir haben erlebt: Die Veränderung von Haltungen gegenüber Flüchtlingen und Zuwanderern kann immer nur das Ergebnis von langwierigen - auch konfliktreichen - Lernprozessen sein. Diese Einsicht sollte uns nun auch Respekt vor den Erfahrungen anderer Nationen ermöglichen. // Wenn wir Deutsche uns an die "Das Boot ist voll"-Debatten vor zwanzig Jahren erinnern, dann erkennen wir, wie stark sich das Denken der meisten Bürger in diesem Land inzwischen verändert hat. Der Empfang der Flüchtlinge im Sommer dieses Jahres war und ist ein starkes Signal gegen Fremdenfeindlichkeit, Ressentiments, Hassreden und Gewalt. Und was mich besonders freut: Ein ist ein ganz neues, ganz wunderbares Netzwerk entstanden - zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, zwischen Zivilgesellschaft und Staat. Es haben sich auch jene engagiert, die selbst einmal fremd in Deutschland waren oder aus Einwandererfamilien stammen. Auf Kommunal-, Landes- wie Bundesebene wurde und wird Außerordentliches geleistet. Darauf kann dieses Land zu Recht stolz sein und sich freuen. Und ich sage heute: Danke Deutschland! // Und dennoch spürt wohl fast jeder, wie sich in diese Freude Sorge einschleicht, wie das menschliche Bedürfnis, Bedrängten zu helfen, von der Angst vor der Größe der Aufgabe begleitet wird. Das ist unser Dilemma: Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich. // Tatsache ist: Wir tun viel, sehr viel, um die augenblickliche Notlage zu überwinden. Aber wir werden weiter darüber diskutieren müssen: Was wird in Zukunft? Wie wollen wir den Zuzug von Flüchtlingen, wie weitere Formen der Einwanderung steuern - nächstes Jahr, in zwei, drei, in zehn Jahren? Wie wollen wir die Integration von Neuankömmlingen in unsere Gesellschaft verbessern? // Wie 1990 erwartet uns alle eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird. Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte. Ost- und Westdeutsche hatten ja dieselbe Sprache, blickten auf dieselbe Kultur zurück, auf dieselbe Geschichte. Ost- und Westdeutsche standen selbst in Zeiten der Mauer durch Kirchengemeinden, Verwandte oder Freunde in direktem Kontakt miteinander und wussten über die Medien voneinander Bescheid. Wie viel größere Distanzen dagegen sind zu überwinden in einem Land, das zu einem Einwanderungsland geworden ist. Zu diesem Land gehören heute Menschen verschiedener Herkunftsländer, Religionen, Hautfarben, Kulturen - Menschen, die vor Jahrzehnten eingewandert sind, und zunehmend auch jene, die augenblicklich und in Zukunft kommen, hier leben wollen und hier eine Bleibeperspektive haben. // Ähnlich wie bei den Zuwanderern seit den 1960er Jahren, aber wohl in größerem Ausmaß werden wir erleben: Es braucht Zeit, bis Einheimische sich an ein Land gewöhnen, in dem Vertrautes zuweilen verloren geht. Es braucht Zeit, bis Neuankömmlinge sich an eine Gesellschaftsordnung gewöhnen, die sie nicht selten in Konflikt mit ihren traditionellen Normen bringt. Und es braucht Zeit, bis alte und neue Bürger Verantwortung in einem Staat übernehmen, den alle gemeinsam als ihren Staat begreifen. // Wir befinden uns aktuell in einem großen Verständigungsprozess über das Ziel und das Ausmaß dieser neuen Integrationsaufgabe. So etwas ist in Demokratien auch verbunden mit Kontroversen - das ist normal. Aber meine dringende Bitte an alle, die mitdebattieren, ist: Lassen Sie aus Kontroversen keine Feindschaften entstehen. Jeder soll merken, wir debattieren, weil es uns um Zusammenhalt geht, um ein Miteinander, auch in der Zukunft. // Und wir nehmen aus unserer jüngeren Geschichte etwas mit, das wir niemals aufgeben dürfen: den Geist der Zuversicht. Wir haben nicht nur davon geträumt, unser Leben selbstbestimmt gestalten zu können, nein, wir haben es getan! Wir sind die, die sich etwas zutrauen. // Und so gestimmt fragen wir uns jetzt: Was ist denn das innere Band, das ein Einwanderungsland zusammenhält? Was ist es, das uns verbindet und verbinden soll? // In einer offenen Gesellschaft kommt es nicht darauf an, ob diese Gesellschaft ethnisch homogen ist, sondern ob sie eine gemeinsame Wertegrundlage hat. Es kommt nicht darauf an, woher jemand stammt, sondern wohin er gehen will und mit welcher politischen Ordnung er sich identifiziert. // Gerade weil in Deutschland unterschiedliche Kulturen, Religionen und Lebensstile zuhause sind, gerade weil Deutschland immer mehr ein Land der Verschiedenen wird, braucht es eine Rückbindung aller an unumstößliche Werte - einen Kodex, der allgemein als gültig akzeptiert wird. // Ich erinnere mich noch gut, welche Ausstrahlung die westlichen Werte bei uns in der DDR und in anderen Staaten des ehemaligen Sowjetblocks besaßen. Wir sehnten uns nach Freiheit und Menschenrechten, nach Rechtsstaat und Demokratie. Diese Werte, obwohl im Westen entstanden, sind zur Hoffnung für Unterdrückte und Benachteiligte auf allen Kontinenten geworden. Die Demokratie hat zwar seit 1990 keinen weltweiten Siegeszug angetreten, aber ihre Werte sind weltweit präsent, werden zunehmend nicht mehr als westlich, sondern als universell bezeichnet und verstanden. Und das ist richtig so. // Doch nicht immer und nicht überall vermögen sie jeden zu überzeugen, übrigens auch nicht bei uns. Wir wissen, dass selbst im Westen die eigenen Werte verletzt wurden und gelegentlich auch werden. Aber damit sind doch nicht die Werte diskreditiert, sondern diejenigen, die sie verraten. // Und diese, unsere Werte, sie stehen nicht zur Disposition! Sie sind es, die uns verbinden und verbinden sollen, hier in unserem Land. Hier ist die Würde des Menschen unantastbar. Hier hindern religiöse Bindungen und Prägungen die Menschen nicht daran, die Gesetze des säkularen Staates zu befolgen. Hier werden Errungenschaften wie die Gleichberechtigung der Frau oder homosexueller Menschen nicht in Frage gestellt und die unveräußerlichen Rechte des Individuums nicht durch Kollektivnormen eingeschränkt - nicht der Familie, nicht der Volksgruppe, nicht der Religionsgemeinschaft. Und vor diesem Hintergrund gewinnt der Satz, den wir alle kennen - Toleranz für Intoleranz darf es nicht geben - seine humane Basis. Und noch etwas: Es gibt in unserem Land politische Grundentscheidungen, neben den eben angesprochenen, die ebenfalls unumstößlich sind. Dazu zählt unsere entschiedene Absage an jede Form von Antisemitismus und unser Bekenntnis zum Existenzrecht von Israel. // Wir kennen keine andere Gesellschaftsordnung, die dem Individuum so viel Freiheit, so viele Entfaltungsmöglichkeiten, so viele Rechte einräumt wie die Demokratie. Sie mag mangelhaft sein, aber wir kennen keine andere Gesellschaftsordnung, die im Widerstreit von Lebensstilen, Meinungen und Interessen zu so weitgehender Selbstkorrektur fähig ist. Wir kennen auch keine Gesellschaftsordnung, die sich so schnell neuen Bedingungen anzupassen und zu reformieren vermag, weil sie - wie Karl Popper einmal sagte - auf einen Menschen baut, "dem mehr daran liegt zu lernen, als recht zu behalten". // Für eben diese Werte und für diese Gesellschaftsordnung steht die Bundesrepublik Deutschland. Dafür wollen wir auch unter den Neuankömmlingen werben - nicht selbstgefällig, aber selbstbewusst, weil wir überzeugt sind: Dieses Verständnis, kodifiziert im Grundgesetz, ist und bleibt die beste Voraussetzung für das Leben, nach dem gerade auch Menschen auf der Flucht streben. Ein Leben - wie es in unserer Nationalhymne heißt - in Einigkeit und Recht und Freiheit.
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Joachim Gauck
Es war mir in meinem Leben so wenig gesungen, Präsident zu werden, wie es Karl Carstens geschehen ist. Er kam nicht aus erlauchten Kreisen, sondern hat sich seinen Weg von unten an die Spitze einer freien Republik gebahnt. Und dass ich, der ich vom Osten her so oft sehnsüchtig ins Fernsehen geschaut habe auf das, was sich hier im deutschen Parlament der Freiheit abgespielt hat, an diesem Ort verschiedene Male sprechen kann und nun auch einen Bundespräsidenten würdigen kann, das ist ein besonderes Geschenk der Geschichte. Und es erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit. // Wir ehren heute einen Mann, dessen Dienst am Gemeinwesen wir als herausragend empfinden, dessen Einsatz zur Förderung des freiheitlich verfassten Staates vorbildlich war. Deshalb treffen wir uns hier in guter Laune und mit Zuversicht, weil die Erinnerung an eine solche Haltung und an ein solches Wirken uns selber stärken soll. Karl Carstens' pragmatischer Realismus, sein Pflichtbewusstsein und die überzeugende Repräsentanz der Demokratie und unseres Gemeinwesens, das kann uns bis heute Orientierung geben. Als Realist und Pragmatiker war er bekannt. In der Rückschau treten aber auch jene Elemente seines Denkens hervor, die hineinragen bis in unsere Zeit. // Deshalb bin ich der Konrad-Adenauer-Stiftung sehr dankbar, dass sie zu dieser Gedenkstunde zum 100. Geburtstag von Karl Carstens eingeladen hat - ich bin dieser Einladung gern gefolgt. // Denn damit wird uns Gelegenheit gegeben, die Welt des Karl Carstens neu zu betrachten und seine Republik - unsere Republik! - geistig zu durchwandern. Ja, wandern. // Mit dem "Wander-Präsidenten" begeben wir uns also noch einmal zurück in jene Zeit. // Beim Wandern, das spürt man, kommt gelegentlich die Heiterkeit auf, die damals die Zeitgenossen bewegte. Das begann schon während seiner Antrittsrede, da hat er die deutsche Öffentlichkeit darüber informiert, er werde die Republik im Laufe seiner Amtszeit durchwandern, zu Fuß, etappenweise, von der Ostsee bis zu den Alpen. Natürlich gibt es Kritiker, wenn man ein solches Vorhaben ankündigt. // Und die haben dann gleich geschlossen: altbacken, irgendwie provinziell! Wandern: Wer macht das schon? Irgendwie traditionalistisch, dieser Bundespräsident. Und das nach den wilden Zeiten der 1968er Ära. // Dabei hatte Karl Carstens einen interessanten Plan. Einerseits konnte er eine Zeitströmung aufnehmen und sie zugleich auf eine zurückhaltende Weise ein wenig hinterfragen. Die Sorge um die Umwelt hatte damals besonders junge Leute ergriffen. Carstens teilte diese Sorge durchaus, wollte sich aber der generellen Wachstums- und Zivilisationskritik entgegenstellen. Es war natürlich auch das Milieu, aus dem heraus sehr forciert diese Themen angebracht wurden, von der damals sehr jungen grünen Bewegung. Das lag Carstens nicht, das müssen wir ja nicht verbergen. // Er machte sich dann auf seine Weise daran, die Naturschönheiten Deutschlands zu erkunden - zu Fuß. Das war eine ganz eigenartige, als Norddeutscher würde ich sagen, eine gediegene Einladung an das Bürgertum, ein bisschen genauer hinzuschauen, was unser Land eigentlich ausmacht. Damals gab es als Herausforderung das sogenannte "Waldsterben". Während der Wanderungen sah Carstens sich auch Demonstranten gegenüber, die darauf in besonderer Weise aufmerksam machten. Er konnte dann auf seine Weise Gespräche führen, beispielsweise über die Idee, bleifreies Benzin einzuführen. // "Unterwegs", so schrieb eine große Zeitung, "unterwegs ging den Spöttern die Luft aus". Der Bundespräsident war ja mit offenen Augen unterwegs. Und so begegnete er auf seinen Wanderungen nicht nur der Fichte und der Tanne, dem Bärwurz und dem Sonnentau, sondern er begegnete Menschen, und zwar sehr vielen Menschen. Anfangs waren es dutzende, die ihn begleiteten, später hunderte, schließlich tausende. Sie brachten gerne auch Proviant mit und Geschenke oder sangen ihm etwas vor. Das war dann so eine wunderbare Begegnungsmöglichkeit mit den Bürgern. Nach 60 Tagen und 1600 Kilometern war Karl Carstens und seiner Frau Veronica, die ihn oft begleitete, keine Sorge mehr fremd, die es in diesem Land gab. // Bei Amtsantritt hatte der Bremer Karl Carstens eher als norddeutsch-kühl gegolten, vielleicht auch als hanseatisch-streng. Aber nun zeigte sich seine Wärme, auch Herzlichkeit. Er konnte Nähe herstellen und Barrieren niederreißen. Er zeigte - wie auch sein Vorgänger Walter Scheel -, dass sich die Würde des Amtes durchaus mit Bürgernähe verträgt. Eine Kluft zwischen Repräsentanten und Repräsentierten, die muss es nicht geben, das wissen wir alle. Denn in der Demokratie ist jeder Bürger gleich. Und Autorität wird in ihr nur auf Zeit verliehen, durch Wahl. Und im Mittelpunkt, auch das wissen wir, steht immer der Souverän, steht unser Volk. Indem er diese Ansichten seinerseits beglaubigte, hat Karl Carstens ein Amtsverständnis demonstriert, dem sich Bundespräsidenten bis heute verpflichtet fühlen. Sich hinein versetzen in andere, das kann eben nicht jeder. Karl Carstens hat sich diese Qualität erarbeitet, und vielleicht darf er auch damit als ein Wanderer gelten - nicht zuletzt war er auch ein Wanderer zwischen den Welten. // Er bewegte sich zwischen der Privatwirtschaft und Wissenschaft hin und her, zwischen Ministerialbürokratie und Politik. Er war Anwalt und war Diplomat, Hochschullehrer und Parlamentarier, Staatssekretär und dann Bundestagspräsident. Er brachte Erfahrungen aus der einen Sphäre ein in die andere. Sein Werdegang ist ein frühes Beispiel für eine vielseitige Karriere mit bemerkenswertem Ausgang. // Karl Carstens darf auch als Rollenvorbild für den Aufstieg durch Bildung gelten. Und meine Damen und Herren, schauen Sie sich in unserer politischen Landschaft um. Sie werden dieses Modell in den verschiedenen Parteien immer wieder erblicken. Es wäre schlimm, wenn das in unserem Land in Zukunft nicht mehr möglich wäre. Wir arbeiten daran, dass das so bleibt. // Karl Carstens hat seinen Vater nie kennengelernt, er fiel im Ersten Weltkrieg, noch vor der Geburt des Sohnes. Die Mühen der Vaterlosigkeit und drohender sozialer Abstieg prägten Carstens' Jugend. Und doch trugen ihn Talent, Fleiß und Leistungsbereitschaft in eine Bildungslaufbahn, die ihn zur Professur und schließlich ins höchste Amt unseres Staates führte. // Carstens' Karriere begann, als die Bundesrepublik gegründet wurde. Sein steiler Aufstieg ist in vielerlei Hinsicht ein Spiegel dieser Republik. Er gehörte zu jener Generation, die sich mit den Irrungen und Lasten und vielfältiger Schuld während der NS-Diktatur auseinandersetzen musste. // Und er musste diese Lehren auch für sich selbst ziehen. Als er 1979 für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, nahmen ihm Teile der Öffentlichkeit diesen Lernprozess nicht ab. Sie sahen Carstens' Wahl gar als Gipfel der Verdrängungskunst. Denn er war Mitglied der NSDAP gewesen. Tatsächlich war seinerzeit Druck auf Carstens ausgeübt worden, dass er, um Rechtsanwalt zu werden, in die Partei eintreten müsse. Karl Carstens beugte sich. Und zwar, wie er später formulierte, wider die eigenen "besseren Überzeugungen". Er selbst sagte damals, dass er "verstrickt" gewesen sei. Er benutzte dieses Wort. Eine intensive, zumal öffentliche, Auseinandersetzung mit der objektiv geringen eigenen Verstrickung suchte Carstens nicht. // Als er für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte, hatte die notwendige Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus inzwischen weite Teile der Bevölkerung erreicht. In diesen Jahren war die Erkenntnis gewachsen, wie viele Personen des öffentlichen Lebens tatsächlich verstrickt gewesen waren, auf die eine oder andere Weise. Es gab auch so etwas wie eine systemische Verstrickung, die vielfach ohne persönliche Schuld war. Aber sie existierte eben, und man war zu unterschiedlichen Zeiten in unterschiedlicher Weise bereit, darüber zu sprechen. // Aus heutiger Sicht illustrieren die damaligen Kontroversen, welch schmerzhafte Prozesse notwendig waren, um der Bundesrepublik trotz ihrer Vorgeschichte ein so ansehnliches Profil zu geben. Aus heutiger Sicht können und müssen wir sagen, dass manches damals leichter gewesen wäre, wenn mehr Betroffene früher Schuld auch als Schuld benannt und anerkannt hätten. Aber es zählt zu den großen Errungenschaften der Nachkriegsgeschichte, auf den Trümmern des Totalitarismus, auf tiefer Schuld und moralischem Versagen, ein neues Haus der Demokratie gebaut zu haben. Gewiss konnten nur wenige Repräsentanten der frühen Bundesrepublik auf eine Biographie ohne Verstrickung und ohne Widerspruch zurückblicken. Aber die meisten von denen, die in Staat und Gesellschaft Verantwortung übernahmen und sich in den demokratischen Parteien engagierten, zogen aus der Erfahrung ihrer Generation einen wichtigen Schluss: dass nur unbedingtes Eintreten für die Demokratie und den Rechtsstaat Deutschland in die Zukunft führen konnte und dass die Würde des Menschen und die Grundrechte des Einzelnen Kern dieser Republik waren. Karl Carstens hat diese Erkenntnis glaubhaft und überzeugend vertreten. Dafür sind wir ihm dankbar. // Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn suchte er keineswegs den Weg in den öffentlichen Dienst. Nach der Befreiung wollte er staatsfern bleiben. Doch er besann sich früh, 1948, nach einem prägenden Erlebnis - einem Studienaufenthalt an der amerikanischen Yale-Universität. // Er traf dort auf den Geist der Freiheit und auf eine Bereitschaft zum Engagement für das Gemeinwohl, die ihn ansteckten und die er mit zurück nach Bremen brachte. Später habilitierte er sich mit einer Arbeit über die amerikanische Verfassung. Schließlich bedurfte es nur noch der Einladung seines Mentors, des Bremer Bürgermeisters Wilhelm Kaisen, einer der Gründungsfiguren der Bundesrepublik. Er hat sich als Sozialdemokrat übrigens schon frühzeitig für die Westintegration eingesetzt. Machen wir uns dieser Tage immer mal wieder bewusst, wie wichtig es für dieses Land ist, nicht von einem Weg abzuweichen, der so wichtig war für Deutschland, für das geteilte Deutschland wie für das wiedervereinigte. Aus diesem Grunde ist es mir an dieser Stelle eine große Freude, dass ich mit Dankbarkeit den Namen eines solchen wachen und wunderbaren Sozialdemokraten nennen kann. Dagegen hat die Adenauer-Stiftung sicher nichts einzuwenden. // Mit Hilfe von Wilhelm Kaisen fand sich nun also Karl Carstens im Staatsdienst wieder. Fortan und bis zu seinem Tod war er davon überzeugt, dass Deutschlands Platz an der Seite der freien Völker sein müsse. Die Pflege enger Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika stand für ihn "an erster Stelle aller außenpolitischen Überlegungen". Deutschland brauche Freunde und Verbündete, und die finde es im Westen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und der NATO. Denn wer verantwortlich Politik betreiben wolle, dürfe die Macht des großen Nachbarn im Osten nicht außer Acht lassen. Im westlichen Bündnis sah Carstens, so sagte er, die Grundlage für eine "kraftvolle, gesicherte, freiheitlich-demokratische Bundesrepublik". // Für Carstens, den schnell bis zum Staatssekretär aufsteigenden Diplomaten, war die große Aufgabe der Nachkriegszeit die Aussöhnung mit Frankreich. Und er hat dabei aktiv mitgewirkt. Er beschäftigte sich intensiv mit europäischen Fragen, als Wissenschaftler wie als Praktiker. // Nicht zuletzt seine Erfahrungen als Ständiger Vertreter der Bundesrepublik beim Europarat und seine Teilnahme an den Verhandlungen zu den Römischen Verträgen machten ihn zum Verfechter der Idee der Vereinigten Staaten von Europa. Am Erfolg der Europäischen Integration hat er großen Anteil: Als die Verhandlungen über den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Oktober 1956 in eine schwere Krise gerieten, waren es Karl Carstens und sein französischer Partner Robert Marjolin, die ein Scheitern der Verhandlungen verhinderten. Der Kontinent, davon war Karl Carstens sein Leben lang überzeugt, müsse mehr sein als nur eine Freihandelszone, er müsse sich auch politisch einigen. // Aus heutiger Perspektive wissen wir besonders zu schätzen, wie Carstens die Westintegration als Bedingung der deutschen Einheit erkannte und betonte. Nach seiner Auffassung hätte die Bundesrepublik ohne Westbindung keine hinreichende Attraktivität auf die Bewohner der DDR ausüben können. Und ohne Westintegration, ohne europäische Integration hätte man nicht Frankreich, nicht Großbritannien und auch nicht die Vereinigten Staaten dem Ziel der Wiedervereinigung verpflichten können. Daraus ergaben sich für Carstens wie selbstverständlich die Prioritäten bundesdeutscher Politik: Freiheit - Frieden - Einheit, in dieser Reihenfolge. // Und so gehörte es für den Bundespräsidenten Carstens zu den unverzichtbaren Elementen eines jeden Staatsbesuches, die Gesprächspartner daran zu erinnern, dass die Bundesrepublik auf einen Zustand des Friedens in Europa hinwirkt, "in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt". Besuchern aus den entferntesten Gegenden der Welt - wie etwa dem Königspaar von Tonga - präsentierte er dieses Zitat aus dem "Brief zur Deutschen Einheit". // Der Logik der frühen Ostpolitik mochte er nicht folgen. Nachdem die Ostverträge dann aber abgeschlossen waren, hat er gleichwohl erkannt, dass Deutschland der Wiedervereinigung ohne eine Entspannung des Verhältnisses zu den Staaten des Warschauer Paktes nicht näher kommen würde. Aus heutiger Sicht war Karl Carstens ein Deutschland- und Außenpolitiker, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass ein Land entstand, in dem wir bis heute in Freiheit, in Frieden und in Wohlstand leben können. // Er sah sein Amt als Bundespräsident als parteiferne Instanz an, übte seine verfassungsrechtlichen Pflichten mit Bedacht aus und machte gleichzeitig deutlich, dass er sich seiner amtsspezifischen Autorität bewusst war. So ließ er den Bundeskanzler einmal vertraulich wissen, dass er die Entlassung eines Ministers nicht vornehmen werde, weil er sie für ungerechtfertigt hielt. // Die wichtigste innenpolitische Entscheidung seiner Präsidentschaft hatte er Anfang 1983 zu treffen, als es darum ging, den Bundestag vorzeitig aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen. Bundeskanzler Kohl wollte - nach der Übernahme der Kanzlerschaft - seine Bundesregierung durch Bundestagswahlen grundsätzlich neu legitimieren lassen und hatte deshalb im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt - mit dem Ziel der Bundestagsauflösung. // Wie geplant, ging dann die Abstimmung verloren. // Es war nicht nur Carstens' wichtigste, es war - wie er selber sagte - seine "schwerste Entscheidung". Er beriet sich genau 21 Tage lang, so lange, wie es das Grundgesetz höchstens erlaubt. Er wusste, dass seine Entscheidung politisch und rechtlich umstritten sein würde, egal wie sie ausfiel. Er wollte sie als ordentlicher Professor des Staatsrechts vor seiner Zunft vertreten können. Und zugleich ahnte er, dass seine Entscheidung im Wege der Organklage beim Bundesverfassungsgericht angefochten werden würde, als erstes Verfahren dieser Art für einen Bundespräsidenten. // Damals, im Übergang von der SPD-FDP-Koalition zur Koalition aus Union und FDP, ging es um eine prinzipielle Frage: ob nämlich das Instrument der Vertrauensabstimmung, bewusst von der Regierungsmehrheit eingesetzt und doch in einer absehbaren Niederlage für den Bundeskanzler endend, zu einer Neuwahl führen könne und dürfe. Kritiker sahen darin eine "unechte" Vertrauensabstimmung, eine Trickserei, in der ein Vertrauensentzug nur vorgetäuscht werde. // So entstehe in der Praxis ein verfassungsfremdes Selbstauflösungsrecht des Parlaments. // Karl Carstens entschied sich für die Auflösung des Bundestages. In seiner Begründung sagte er, er habe nicht feststellen können, "aus welchen Gründen der einzelne Abgeordnete dem Bundeskanzler die Zustimmung versagt" habe. Er war zu der Überzeugung gelangt, dass die vom Grundgesetz gewollte und politisch zu erstrebende stabile Regierung ohne Neuwahlen nicht mehr zu erreichen sei. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte später Carstens' Rechtsauffassung. Diese Bestätigung war für ihn essentiell, bekannte er doch später, er wäre zurückgetreten, hätte das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung nicht bestätigt. Diese Begebenheit ist bis heute bedeutsam, weil sie die Bedingungen von Misstrauensvoten und Neuwahlen zu klären half. Karl Carstens` umsichtiges Handeln im Sinne der Verfassung trug dazu bei, die Stabilität und die Regierungsfähigkeit des Landes zu sichern, zwei Prinzipien, die in der Hierarchie seiner politischen Wertmaßstäbe ganz weit oben standen. // Karl Carstens wurde auch deshalb zum respektierten Bundespräsidenten, weil er den scharfzüngigen Parteipolitiker, der er gewesen war, hinter sich ließ. Er nutzte sein Amt, um zu integrieren. Im Laufe seiner Amtszeit überzeugte er viele, die seine Wahl einst mit Skepsis betrachtet hatten. Respekt und Zuneigung aus allen Schichten der Bevölkerung kamen ihm entgegen. Daran hatte auch seine Gattin Veronica Carstens großen Anteil. Ich erinnere heute gerne an Sie. Während seiner Präsidentschaft arbeitete sie weiter als Ärztin und nahm dabei viele Sorgen und Nöte der Menschen auf. Gemeinsam gründeten sie die Karl-und-Veronica-Carstens-Stiftung. // Auch als Schirmherrin der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft erwarb sich Veronica Carstens große Verdienste. Wir dürfen uns heute auch vor ihr verneigen. // Und noch eines wollen wir nicht vergessen: Karl Carstens schöpfte aus dem christlichen Glauben und gab seine Kraft für die Idee des Gemeinwohls. Und beides hängt miteinander zusammen - so jedenfalls sehe ich das. // Die Quintessenz seines Denkens hinterließ er wenige Jahre vor seinem Tod in einer Rede in Dresden: "Wer frei ist, trägt Verantwortung, wer Rechte hat, der hat auch Pflichten, wer Ansprüche stellt, vor allem Ansprüche an den Staat, muss auch bereit sein, Leistung zu erbringen." Hinter diesen Sätzen können wir uns auch heute noch versammeln. // Verneigen wir uns also vor der Leistung eines deutschen Demokraten, und halten wir sein Andenken durch unsere Haltung und durch unsere Handlungen als Staatsbürger in Ehren.
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Joachim Gauck
Wie sollte man eine Rede an der Universität, die Johann Wolfgang von Goethe im Namen führt, anders beginnen, als mit dem wohl berühmtesten Seufzer der deutschen Literaturgeschichte: "Habe nun ach! Philosophie, / Juristerei und Medizin / Und leider auch Theologie / Durchaus studiert mit heißem Bemüh'n." // Zugegeben, ein ziemlich überraschungsfreier Start in diese Rede. Und wahrscheinlich hätte ich mir das "ach!" verkniffen, wenn nicht vor kurzem in einem Blog der Brief einer Hochschulabsolventin an ihre Universität zu lesen gewesen wäre, der den Monolog des Faust mehr als 200 Jahre später gewissermaßen in unsere Gegenwart übersetzt: // Ich zitiere: "Liebe Uni, ich habe Dich mir anders vorgestellt, jahrelang hatte ich von dir geträumt. Von Diskussionen, von Austausch, von dem Gefühl der Freiheit . Ich hatte mir vorgestellt, wie wir an der Universität wilde Debatten führen. Keynes! Marx! Weber! Liebe Uni, ich dachte Du wärst ein Ort zum Streiten [ ] Diese Leidenschaftslosigkeit war unerträglich " // Nun, es gab natürlich eine Menge leidenschaftlicher Antworten auf diesen vehementen Klagebrief, dem eigentlich nur noch die Faustische Beschwerde fehlte: "Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor". Viele stimmten der Autorin zu, viele widersprachen aber auch und berichteten von guten Erfahrungen mit ihrer Universität, ihrem Studium und ihren Professoren. // Ich hatte an dieser Stelle das Gefühl, wonach sehnt sich wohl diese Schreiberin? - hoffentlich nicht etwa nach den wilden Zeiten von 1970, als eine der merkwürdigen Seiten dieser Universität geschrieben wurde. Auf Vorschlag von Jürgen Habermas sollte der Adorno-Lehrstuhl neu besetzt werden, und man kam auf einen der wohl bedeutendsten Marxismus-Forscher der Zeit, auf Leszek Kolakowski. Aber Kolakowski war gerade von seiner kommunistischen Führung in Polen gemaßregelt worden. Nun passierte das Merkwürdige: An dieser schönen freien Universität gab es linke, linksextreme und marxistische Mehrheiten, die ihn wegen fehlender marxistischer Linientreue abwiesen. Der arme Mann musste dann in die akademische Wüste nach Oxford. Soviel zum Zeitgeist. // Die Universität und ihr Zustand, sie lassen die Gemüter nicht kalt. Und das ist gut so. Denn wenn es um die Bildung kommender Generationen geht, steht immer die Zukunft einer ganzen Gesellschaft auf dem Spiel. Deshalb sollen Universitäten blühen und gedeihen, und zwar zuallererst im Interesse der Studierenden. Hier in Frankfurt sind es 46.000, die durch bestmögliche universitäre Bildung entscheidende Chancen für einen gelingenden Lebensweg erhalten, die aber auch als gut gebildete und gut ausgebildete Absolventen Leistungen erbringen sollen, die dann für die ganze Gesellschaft wertvoll sind. Umgekehrt gilt übrigens das Gleiche: Wenn es um die Zukunft der Universität geht, steht immer auch die Frage zur Debatte, was eine Gesellschaft von ihren Hochschulen erwartet und was sie deshalb bereit ist, für ihre Hochschulen zu tun. Aber dazu kommen wir später. Nur Gutes! // Die Frankfurter Universität, zu deren 100. Geburtstag ich heute von ganzem Herzen gratuliere, sie scheint mir ein gutes Beispiel zu sein, um dieses Wechselspiel zwischen einer Gesellschaft und ihren Hochschulen ein wenig näher zu beleuchten. Diese Universität ist nämlich aus verschiedenen Gründen herausragend: einer davon ist, das wissen wir fast alle oder alle hier im Raum, ihre Entstehungsgeschichte, die sich von anderen Universitäten nun doch deutlich unterscheidet. Zur Gründung der älteren Universitäten in Deutschland führte meist der Wille eines Landesherrn, den Ruhm seines Fürstentums und manchmal auch seinen eigenen zu mehren und die Wirtschaftskraft des Territoriums zu stärken - letzteres durchaus ehrenwerte Motive. // Zur Gründung der Universität Frankfurt vor 100 Jahren aber führte nicht Fürsten-, sondern Bürgerwille. Frankfurts Bürger, zumindest hinreichend viele, waren der Überzeugung, dass höhere Bildung das Beste ist, was einem Menschen überhaupt passieren kann. Als"Bildungsbürger" ein rundum positiver Begriff war, "Bürger" im vollsten und eigentlichen Sinne nur der gebildete Bürger war, da begriff man in Frankfurt, dass die Gründung einer Universität so etwas wie eine selbstverständliche Bürgerpflicht war. Mit Recht sind deshalb die Frankfurter Universität und mit ihr die Stadt Frankfurt stolz darauf, dass diese Hochschule eine Bürgeruniversität ist. // Eine Bürgeruniversität lebt vom Engagement. Das war und ist hier in Frankfurt in reichem Maße zu finden, weil man weiß, was eine Universität, eine sehr gute und sehr gut ausgestattete Universität einer Stadt und einer Gesellschaft geben kann, in geistiger wie auch in materieller Hinsicht. Zum einen hilft Bildung, die Welt zu verstehen und zu deuten, und damit auch, in der Gemeinschaft freier Bürger miteinander zu leben. Zum anderen aber bietet sie auch schlicht handfeste Vorteile. // Machen wir uns nichts vor: Wissenschaftliche Bildung wurde schon vor 100 Jahren auch als ein Wirtschaftsfaktor verstanden. Und das war auch richtig so, das müssen wir nicht bekritteln. Darüber hinaus war aber auch die Vorstellung lebendig, dass Bildung durch Wissenschaft der Schlüssel zur Entfaltung der Persönlichkeit sei, zum selbständigen Denken, zum Gebrauch des eigenen Verstandes und damit zur Emanzipation, zur Befreiung von alten Autoritäten und von den Zwängen der Natur. // Bildung und Emanzipation, oder anders ausgedrückt, vielleicht umfassender: Bildung und Freiheit gehörten und gehören zusammen. Deshalb finde ich es schön, dass wir heute dieses Gründungsjubiläum hier an dieser Stätte, hier in der Paulskirche feiern, einem der vornehmsten Orte der deutschen Demokratie- und Freiheitsbewegung. // Die Geschichte der Universitäten, die Geschichte auch der Frankfurter Universität, ist ein Teil der europäischen Freiheitsgeschichte und ein Teil der europäischen Wahrheitsgeschichte. // Wahrheit und Freiheit sind Geschwister. So wie Forschung und Lehre Freiheit brauchen, um sich zu entfalten und ungehindert nach Wahrheit zu suchen und zu streben, so ist die politische Freiheit darauf angewiesen, dass die Wahrheit zugelassen, dass um sie gerungen und dass sie unzensiert öffentlich gemacht werden kann. Dass die Wahrheit frei macht, das gilt auch für die Bildung, die uns - gemäß dem berühmten Wort von Immanuel Kant - dazu frei macht, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen, ohne die Anleitung eines anderen. // So sind, seit ihrer Erfindung im Mittelalter, Universitäten urbane Orte der Emanzipation. Einer der ersten, die man als Professor fast im modernen Sinne ansprechen kann, ist der Theologe und Philosoph Petrus Abälard. Er entwickelte am Anfang des 12. Jahrhunderts an der jungen Pariser Universität eine wissenschaftliche Methode, die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat. // "Sic et non" heißt seine bedeutendste Schrift. Darin wird die Methode der kritischen, wissenschaftlichen Befragung aller Autoritäten erstmals systematisch begründet und durchgeführt. Abälard listet in 158 Abschnitten Widersprüche in den Texten der Kirchenväter auf, die zuvor einfach unhinterfragte und unhinterfragbare Autoritäten waren. Und er zeigt, dass alleine die vernunftgeleitete Interpretation zur Wahrheit führt. Zitat: "Indem wir nämlich zweifeln, gelangen wir zur Untersuchung und durch diese erfassen wir die Wahrheit." // Freiheit von Vorurteilen, kritische Befragung aller Autoritäten, genaue Analyse und Interpretation der Quellen, Vernunft als oberste Instanz: Das ist sozusagen die erste "kritische Theorie" des Abendlandes, und sie bleibt wesensbestimmend für jegliche wissenschaftliche Arbeit, überall bis heute. Dass sie keineswegs leicht durchzusetzen war, zeigt nicht nur, aber auch die Geschichte Abälards, die von Kämpfen, Verurteilungen, Verbannungen geprägt ist. So wird es immer sein: Emanzipation und die Befreiung von Autoritäten, sie werden nie als Geschenk verteilt. Sie müssen immer erkämpft werden. // Die Kontinuität akademischen Denkens, wie es unsere Hochschulen geprägt hat, ist vor allem eine Kontinuität des kritischen Bewusstseins. Was in Paris mit "Sic et non" beginnt, das führt über die großen "Kritiken" des Königsbergers bis zur Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. // Wir wissen allerdings auch und wir dürfen das auch heute an einem solchen Festtag nicht verschweigen, dass die Universität nicht automatisch und nicht immer die aufgeklärte Stimme der Vernunft gewesen ist. Nicht immer hat der Geist die wichtigste Rolle gespielt und nicht immer die interesselose Suche nach der Wahrheit. Auch der Ungeist, ja, die bewusste Lüge, Rassismus, Antisemitismus sind in Universitäten in Deutschland zu Hause gewesen. Intellektualität, wir wissen es leider, ist noch kein wirksamer Schutz gegen Barbarei. Das ist eine der bitteren Lehren aus den Erfahrungen des Dritten Reiches. Auch die Frankfurter Universität hat sich in diesen finsteren Jahren sehr schnell und sehr gründlich von ihren jüdischen Lehrenden und Lernenden getrennt. "Säuberung" nannte man das damals. Dabei verdankte sie doch ihre Gründung zu einem guten Teil dem jüdischen Bürgertum dieser Stadt. Und ein großer Teil des akademischen Glanzes speiste sich aus den Leistungen der Juden, die hier lehrten. // Aus allen deutschen Städten übrigens verschwanden mit den Juden doch Säulen der Gesellschaft: Philanthropie, kultureller Glanz, wissenschaftliche Exzellenz, auch ein aufgeklärter Patriotismus, Verluste ohne Gleichen. Und dazu die Gejagten und all die getöteten Menschen. Im Bewusstsein dieser Verluste und des verzögernden Erkennens und des Benennens der Schuld, die zu diesen Verlusten führte, hatte nun die Gesellschaft eine große Aufgabe nach dem Krieg. Und hier in Frankfurt hat die Frankfurter Universität nach dem Dritten Reich und nach dem Krieg versucht, an ihre glanzvollen Zeiten anzuknüpfen. Ich stelle mir das äußerst schwierig vor, in diesen Zeiten, in denen äußere und innere Zerstörung das Land prägte. Aber es gelang. Einige Gelehrte sind sogar aus dem Exil zurückgekehrt, um beim geistigen Aufbau eines besseren Deutschlands von Frankfurt aus mitzuhelfen. Jeder kennt noch die Namen von Adorno und Horkheimer, die die Kritische Theorie der Frankfurter Schule entwickelten, die fast zur Überschrift für eine geistige Grundhaltung, ja, für eine wichtige Phase in der Geschichte der jungen Bundesrepublik wurde. All das war eng mit Frankfurt verbunden. // Die Geschichte der Frankfurter Bürgeruniversität ist eine Erfolgsgeschichte. Aber auf Erfolgen kann man sich nicht ausruhen. Jede Zeit stellt die Universitäten vor neue Herausforderungen, aber auch vor neue Chancen. // Die ungeheure Steigerung der Studierendenzahlen seit den 1960er Jahren, damit auch die steigende Zahl von Dozenten und Professoren, all das hat einen anderen Typ von Universität geschaffen, als man sie noch bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts kannte. // Das ist ein beispielloser bildungspolitischer Sprung: Wo früher eine akademische Laufbahn nur einer schmalen Elite eines Jahrgangs vergönnt war, sind es heute mehr als ein Drittel. Der Anteil der jungen Menschen eines Jahrgangs, die ein Studium aufnehmen, stieg seit Anfang der 1950er Jahre von etwa fünf auf etwa fünfzig Prozent. Ich weiß um die damit verbundenen Probleme, die gelegentlich auch zu besprechen sind. Das will ich aber an dieser Stelle nicht tun. Diese Steigerung hat den Charakter der Hochschulen grundlegend verändert, und sie musste natürlich auch gestaltet und sie musste finanziert werden. Um die Frage der Hochschulfinanzierung wird bis heute gerungen. Viele Dozenten und Professoren klagen, dass sie sich angesichts der Fülle der Aufgaben vom Kern ihrer Profession, von Forschung und Lehre, entfernen, ja, manchmal entfernen müssen. Es galt und gilt also, eine neue Balance zu finden zwischen Forschung und Lehre, zwischen Spitze und Breite. // Eine Herausforderung, die die Gründer der Frankfurter Universität vor 100 Jahren ebenfalls noch nicht in dieser Deutlichkeit vor Augen hatten, war der Beitrag, den Bildung zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zum sozialen Aufstieg jeder und jedes Einzelnen leisten kann und soll. Jetzt fällt mein Blick auf unsere Gesellschaft, wie sie sich heute darstellt. Wir leben heute in einer Einwanderungsgesellschaft. Mehr als ein Drittel der in Deutschland lebenden unter Fünfjährigen verfügt über einen Migrationshintergrund. Das gesamte Bildungssystem muss - sollte ich sagen: müsste - sich dieser Aufgabe stellen. Es gibt inzwischen viele Initiativen, die diese Herausforderung angenommen haben. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit stand ich hier an derselben Stelle, um die Teilnehmer der Start-Stipendien-Initiative zu begrüßen und zu beglückwünschen. Eine große deutsche Stiftung hat der Tatsache Rechnung getragen, dass wir eine besondere Förderung dieser Gruppe von Auszubildenden brauchen, die - mit einem Migrationshintergrund ausgestattet - nicht dieselben Startmöglichkeiten haben wie Kinder aus dem deutschen Bildungsbürgertum. Wir müssen verstehen, dieser Realität von Einwanderung gerecht zu werden, sie als praktische Aufgabe zu sehen. Und ich bin dankbar für die Initiativen und die Personen, die sich hier auf diesem Feld engagieren, Hilfe in der Sprachförderung oder durch kulturelle Beiträge. Im Sport haben wir inzwischen gelernt, dass jedes Talent Förderung verdient und dass diese Förderung alle bereichert. Die gleiche Einsicht wünsche ich mir auch in der Bildung und in der Wissenschaft: von der Kita über die Schule bis zur Universität. An jeder dieser Stationen können wir noch viel mehr tun, um allen jungen Menschen in diesem Land ein gelingendes Leben zu ermöglichen. // Nach meinem Verständnis kann und muss die Universität eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft spielen, vielleicht sogar eine aktivere Rolle als gegenwärtig schon üblich. Ausländische Studierende und junge Menschen mit Migrationsgeschichte brauchen Hilfe. In manchen Fällen ist finanzielle Unterstützung notwendig, etwa durch spezielle Stipendienprogramme. Am wichtigsten aber sind Vorbilder und Ermutigung, und zwar schon lange vor der Immatrikulation. Es darf nicht sein, dass die Herkunft eines Menschen - sei es die soziale oder die ethnisch-kulturelle - darüber entscheidet, welche Zukunft dieser Mensch hat! Der Schlüssel, um solche Herkunftsbarrieren zu überwinden, der heißt Bildung. Die Geschichte von Bildung als Emanzipation, sie geht also weiter. Und sie muss weitergehen. // Ist die alte "Bürgeruniversität" auch diesen neuen Herausforderungen gewachsen? Hier in Frankfurt haben Sie eine klare Antwort auf diese Frage gefunden. Sie haben das Prinzip der Bürgeruniversität neu für sich entdeckt, Sie haben sich ganz bewusst zu Ihren Wurzeln bekannt. Denn seit 2008 ist die Goethe-Universität wieder Stiftungsuniversität. Das Modell soll dazu dienen, Hochschulen und Bürgergesellschaft stärker zu verbinden. Es eröffnet großherzigen und weitblickenden Stiftern und Förderern die Möglichkeit, Verantwortung für die Universität zu übernehmen. Der Umbau zur Stiftungshochschule stärkt die Eigenverantwortung der Institution. Die Stiftungshochschule kann zugleich ein Wir-Gefühl und eine Identität entwickeln, die Lehrende und Lernende verbindet und eine starke Verbindung zum gesellschaftlichen Umfeld herstellt. // Es zeigt sich immer wieder: Bildung und wissenschaftliche Spitzenleistung brauchen so eine förderliche Umgebung. In Frankfurt gibt es dieses bildungsfreundliche Umfeld. Kooperation und Austausch sind damit wesentliche Erfolgsfaktoren dieser Universität, die sich nie als Elfenbeinturm, sondern immer als bürgerschaftliches Forum begriffen hat. Auch dazu kann man heute wahrlich gratulieren. // Eines will ich aber an dieser Stelle auch deutlich sagen: Das Lob der Förderer und der Stifter und der Ruf nach weiterem bürgerschaftlichen Engagement für gute Bildung darf keineswegs dazu führen, dass der Staat sich aus seiner Verantwortung im Bildungswesen zurückzieht. Stifter sind keine Ausfallbürgen in Zeiten knapper Kassen - sie schaffen einen Mehrwert. // Es ist darüber hinaus richtig und wichtig, an neue Mittel und Wege zu denken, um Kräfte zu bündeln. So überlegen richtigerweise Bund und Länder seit der vergangenen Legislaturperiode, wie sie den Bildungsföderalismus fortentwickeln können, um den gestiegenen Anforderungen Rechnung zu tragen. Das wird am Ende allen nutzen: den Studierenden, die attraktive Studienbedingungen vorfinden, den Hochschulen, die ihre Stärken weiter ausbauen können, und unserem Land als Wissenschaftsnation. // Die Konzentration der Kräfte ist auch deshalb wichtig, weil gute Hochschulen heute in einem weltweiten Wettbewerb stehen. In diesem Wettbewerb wird der Frankfurter Universität ihre Besonderheit als Bürgeruniversität, aber auch die öffentliche Unterstützung, zugute kommen. // Europa, so hat neulich der indische Autor Pankaj Mishra geschrieben, habe seine Leuchtkraft verloren. Es habe früher mit seiner kulturellen und intellektuellen Kraft Vertrauen in die Allgemeingültigkeit seiner Erfahrungen und Lösungen erzeugt. Und dieses Vertrauen sei nun heute verlorengegangen. // Ich teile bei weitem nicht alles, was dieser Autor ausführt. Eines aber, was er sagt, halte ich doch für so wichtig, um es hier vorzutragen: Europa, so schreibt er, müsse die eigene kritische und kosmopolitische Tradition wiederbeleben, es brauche Offenheit, Widerspruch und kein homogenes Weltbild. // Wozu uns ein indischer Autor hiermit aufruft, ist doch nichts weiter als die alte und ewig junge Beschreibung von Aufgabe und Wesen der europäischen Universität, die in ihren guten Zeiten immer weltoffen war und die immer bereit war, auch fremde Erfahrungen aufzunehmen. Gehen wir also ans Werk. Gehen wir daran, diese, unsere europäische Universität wieder so lebendig werden zu lassen, dass es intellektuell gleichermaßen Herausforderung und Freude ist, an ihr zu lehren und zu lernen. // Enden wir, wie wir begonnen haben, mit Goethe: Als er im Alter von 16 Jahren daran ging, ein Studium aufzunehmen, gab es diese Frankfurter Universität noch nicht. So ging er nach Leipzig. Von dort schrieb er am 13. Oktober 1765 an seinen Vater: // "Sie können nicht glauben, was es eine schöne Sache um einen Professor ist. Ich bin ganz entzückt gewesen, da ich einige von diesen Leuten in ihrer Herrlichkeit sah!" Das waren noch Zeiten: Professoren in ihrer Herrlichkeit! Das ist irgendwie endgültig passé. Aber könnte es nicht möglich sein, die Universität als Ganzes, als Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, von Stiftern, Förderern und Bildungspolitikern zu einer neuen Herrlichkeit zu führen? Ich wüsste nicht, was ich dieser Goethe-Universität zu Frankfurt am heutigen Tage besseres wünschen könnte.
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Dipl.-Ing. Dr. Kurt Kirchner
100 Millionen - was ist das schon für eine öffentliche Förderung.
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Laotse
Erzeuge, aber nimm nicht in Besitz. Handle ohne Erwartung. Fördere, ohne zu beherrschen. Dies nennt man die subtilen Kräfte.
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Dr. Bernd Lötsch
Die Mineralölsteuer nur für den Straßenbau zu verwenden, ist genauso sinnvoll wie wenn man die Alkoholsteuer zur Förderung des Saufens verwenden würde.
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Dr. Andreas Mailath-Pokorny
Es gibt keine Pragmatisierung für Förderungen mehr. Ich will einer neuen Generation von Kulturschaffenden Perspektiven bieten, mehr Planungssicherheit und Transparenz.
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Mark Aurel
Tue ich etwas? Ich tue etwas, wenn ich es auf die Förderung des Menschen beziehe.
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Dr. Josef Moser
Es reicht nicht aus, wenn der Förderungswerber weiß, wo er Förderungen beantragt hat, sondern es muß auch der Förderungsgeber wissen, wer wo schon gefördert wurde.