Zitate zu "Mehrheit"
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Werner Faymann
Sehr verehrter Herr Bundespräsident! /// Sehr verehrte Frau Nationalratspräsidentin! /// Sehr verehrte Mitglieder der Bundesregierung! /// Sehr verehrter Herr Wirtschaftskammerpräsident! /// Sehr geehrte Damen und Herren! /// Österreich ist unbestritten ein erfolgreiches Land. Es ist ein erfolgreiches Land, weil die Menschen in unserem Land etwas geschaffen haben, auf das wir zu Recht gemeinsam stolz sein können. /// Österreich ist ein Land, das wirtschaftlich erfolgreich ist und in sozialen Fragen, im Zusammenleben ein Vorbild in Europa darstellt. Dieses erfolgreiche Land wird in Europa oftmals als Beispiel für die Vereinbarkeit von Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Ausgleich herangezogen. Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Ausgleich müssen kein Gegensatz sein, im Gegenteil, sie bedingen einander. /// Nur sozialer Frieden, für die Bevölkerung auch wahrnehmbare Fairness, ist die beste Grundlage für die Entwicklung einer Demokratie. Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit sind die beste Garantie dafür, dass diese sozialen Leistungen, auf die wir gemeinsam stolz sein können, auch finanzierbar bleiben. Daher hat eine Regierungserklärung, ein Regierungsprogramm, zur Aufgabe, diese beiden Faktoren zu sichern und auszubauen. /// In Europa gibt es derzeit viele Regionen, die stark von Armut, von hoher Arbeitslosigkeit, besonders großer Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind. Ein bisschen mehr von dem Prinzip, wie wir es in Österreich durch gemeinsame Politik zustande gebracht haben, wird auch unser Auftrag sein, dieses Europa mit einer starken Stimme Österreichs voranzubringen. /// Ein friedliches Zusammenleben setzt unter anderem voraus, dass die Bürgerinnen und Bürger in ihren sozialen Leistungen das Gefühl haben, dass der Staat eine Schutzfunktion für sie dort ausübt, wo sie es brauchen; eine Schutzfunktion dort ausübt, wo jüngere Menschen von verschiedener sozialer Herkunft die Chance bekommen, durch Bildung und Ausbildung das beste Rüstzeug für ihr Leben zu erhalten; eine Schutzfunktion auch dahingehend ausübt, dass ältere Menschen von ihren Pensionen leben können, damit die Pflege, das Spitalswesen, das Gesundheitswesen nicht einfach nur auf dem Papier vorhanden sind, sondern dann, wenn man sie braucht, auch zur Verfügung stehen. /// Wettbewerbsfähigkeit, Finanzierbarkeit und stabile Finanzen in einem Land zu erreichen, ist in einer Wirtschaftskrise, und aus der ist Europa noch lange nicht heraußen, ist auch Österreich noch nicht heraußen, eine doppelt schwierige Aufgabe. /// Es ist nicht die Zeit jener, die mit einem Wachstum von 3, 4 und 5 Prozent auf Einnahmensteigerungen verweisen können, wodurch gleichsam in einer Form von Automatismus dafür gesorgt wird, dass Leistungen indexiert, erhöht und verbessert werden können. Nein, die harte Aufgabe dieser Regierung mit Ihnen gemeinsam ist es, in den nächsten Jahren dafür zu sorgen, dass wir dort sparen und sparsam vorgehen, wo die öffentlichen Haushalte gefordert sind, Leistungen mit hoher Qualität effizienter zu erbringen. /// Das muss ein Regierungsabkommen genauso enthalten wie natürlich die Fülle an Maßnahmen, die wir gemeinsam in den nächsten fünf Jahren zu setzen haben. /// Ich möchte mich bei allen Verhandlerinnen und Verhandlern auch in diesem Kreis bedanken, weil ich weiß, dass es bei einer Regierungsbildung viele sind, auch Experten von außen, die gar keiner Partei angehören, die mitwirken und mithelfen, dass eine derartige Grundlage zustande kommt. /// Ich bitte auch Sie, diese Diskussion konstruktiv zu führen in der Absicht, dass wir unserem Land das Beste wünschen, und das Beste heißt, gemeinsam, mit gemeinsamer Kraft dafür zu sorgen, dass diese Leistungen auch in Zukunft abgesichert und ausgebaut werden, denn ohne Veränderungen ist es nicht möglich, diesen Status, auf den wir so stolz sind, zu halten. Im Ländervergleich hat Österreich innerhalb der Europäischen Union die geringste Arbeitslosigkeit und liegt an zweiter Stelle, was die Jugendarbeitslosigkeit betrifft. /// Wir Österreicherinnen und Österreicher sind bei der Eurostat-Erhebung vorgerückt - vom fünften Platz auf den zweiten Platz in der Frage der Wirtschaftskraft pro Kopf. /// Das sind Zahlen, hinter denen viel Arbeit steht: die der Unternehmerinnen und Unternehmer dieses Landes, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Sozialpartner; die Arbeit einer gemeinsamen Politik. Das ist die Basis sowohl für die Weiterentwicklung der Schutzbestimmungen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und der dafür notwendigen Maßnahmen. /// Seit den neunziger Jahren hat sich der Wert der heimischen Exporte verdreifacht. Die Zinsen für österreichische Staatsanleihen, also eine für uns nicht nur als Selbstzweck wichtige statistische Messlatte, sondern als wesentlicher Nachweis dafür, wie wir unsere Steuermittel einsetzen, zeigen, dass wir auf den internationalen Märkten so beurteilt werden, dass wir am historisch niedrigsten Stand dieser Zinsen sind. /// Das hängt nicht alleine damit zusammen, dass wir in unserem Land das eine oder andere verbessert haben oder verbessern, sondern damit, dass die Kluft in Europa größer geworden ist zwischen jenen, deren finanzielle Haushalte und deren Stabilität einfach noch viel schlechter eingeschätzt wird, als das vor der Wirtschaftskrise der Fall war, und jenen, die gut durch die Krise kommen, jenen, deren Finanzen und deren Haushalt stabil eingeschätzt werden, die davon natürlich besonders profitieren. /// Unsere Aufgabe ist es daher, bei jenen dabei zu sein, die - so wie Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, also einige wenige in diesem Spitzenfeld - auch in Zukunft mit niedrigen Zinsen für Staatsanleihen, und das ist ja unbestritten notwendig, rechnen können. Aber man kann nur dann damit rechnen, dass unser hart verdientes Steuergeld in unserem Land nicht in höhere Zinsen fließt, wenn man auch die nötigen Maßnahmen setzt und die Stabilität unserer Finanzen sichert. /// Das ist eine harte Aufgabe, denn fürs Sparen ist ja jeder - wenn er selbst betroffen ist, natürlich mit einem anderen emotionalen Entgegenkommen als wenn es um das Prinzip der Sparsamkeit an sich geht. Aber auch dieses ist kein Selbstzweck, sondern soll uns in die Situation versetzen, dass wir auch in Zukunft die besten Voraussetzungen haben, nicht in der Größenordnung von etwa 3, 4, 5 oder 6 Prozent Zinsen für Staatsanleihen zu bezahlen. Ein Prozent macht 2 Milliarden Euro pro Jahr aus, durchgerechnet auf die Dauer der Anleihe. Das alleine zeigt, wie wichtig es ist, dass wir die Finanzen stabil halten. /// Auch die Entwicklung unseres Landes betreffend Beschäftigung zeigt, dass es trotz erhöhter Beschäftigung und Rekordzahlen, die der Sozialminister immer wieder durch die Zahl der Beschäftigten in unserem Land zum Ausdruck bringen kann, Grund zur Sorge gibt, da viele dieser Beschäftigungsverhältnisse - gerade bei jungen Leuten - immer stärker auch im Bereich von prekären Arbeitsverhältnissen liegen. Hier ist eine der Herausforderungen der Gesellschaft, die Beschäftigungsverhältnisse in unserem Land nicht zu Ungunsten von jungen Leuten auseinanderbrechen zu lassen, wie auch in anderen, reichen Ländern Europas - ich rede nicht von den ärmsten Ländern, ich rede von den reichsten Ländern Europas. /// Diese Entwicklung hin zu manchen Verträgen bei jungen Leuten, wenn diese sehr viel von ihrer Leistung nicht abgegolten bekommen und keine Sicherheit erhalten, zeigt, dass wir auch in diesem Bereich gemeinsam noch einige Anstrengungen für mehr Fairness zu erbringen haben. /// Wir dürfen es nicht hinnehmen, wenn es in der Gesellschaft Ungerechtigkeiten gibt - obwohl wir wissen, dass wir nicht in der Lage sind, mit einem Paukenschlag oder einer Einzelmaßnahme umfassende Fairness herzustellen -, deshalb haben wir in diesem Regierungsprogramm auch eine Reihe von Maßnahmen aufgelistet, die auch in Teilen der Wirtschaft bessere Ergebnisse liefern. Die Einschränkung bei der Gruppenbesteuerung, die Abschaffung der Steuerbegünstigung bei Managergehältern über 500.000 Euro, der Solidaritätszuschlag für Besserverdiener, den wir verlängert haben, der Kampf gegen Steuerbetrug und ein Sicherungsbeitrag für Privilegienpensionen sind Beispiele dafür. /// Steuerbetrug ist etwas, das nicht als Kavaliersdelikt zu betrachten ist, insbesondere jenen gegenüber nicht, die mit harter Arbeit und fairer Einstellung der Gemeinschaft gegenüber ihren Steuerpflichten nachkommen. Daher ist der Kampf gegen Steuerbetrug - auch auf europäischer Ebene -, das Bekämpfen von Steueroasen, das Einsetzen für die Finanztransaktionssteuer, mit besonderer Deutlichkeit auch in den kommenden Wochen, eine der wesentlichen Aufgaben. Die Bankenabgabe wird unter Beibehaltung des derzeitigen Aufkommens auf die Bemessungsgrundlage Bilanzsumme umgestellt, und der Satz für den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe wird gleichzeitig auf 45 Prozent erhöht. /// Die oft angesprochene Anhebung der Familienbeihilfe, die auch in diesem Haus zu Diskussionen geführt hat, ist für Mitte nächsten Jahres geplant, obwohl wir gleichzeitig in Zeiten geringer finanzieller Spielräume Investitionen gerade im Bereich von Sachleistungen erhöht haben. Unter den Offensivmaßnahmen in Milliardenhöhe finden sich der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen mit 350 Millionen Euro, Hochwasserschutzmaßnahmen, der Ausbau schulischer Tagesbetreuung mit alleine 400 Millionen Euro, die Forschungsförderung, der Wohnbau mit 276 Millionen Euro, Pflegegeld und 24-Stunden-Pflege, die Pflegefonds-Verlängerung sowie viele andere Bereiche in der Infrastruktur. Alle diese Dinge zeigen, dass wir uns leider nicht all das leisten können, was wir uns gerne leisten würden beim Ausbau und im Fortschritt unseres Landes, aber dass wir Investitionen in der richtigen Richtung im Rahmen unserer Spielräume vornehmen. /// Ich möchte Ihnen auch sagen, da Sie natürlich auch Anhebungen im steuerlichen Bereich in diesem Regierungsübereinkommen finden können, dass wir einen ganz bestimmten Weg bewusst nicht gegangen sind, den die meisten anderen Länder der Europäischen Union sehr wohl beschritten haben, nämlich jenen der Erhöhung der Mehrwertsteuer. /// Wir wissen, dass jede Erhöhung vom Bürger, der sie bezahlt, als eine Erhöhung und damit klarerweise auch als eine Belastung wahrgenommen wird, aber die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist eine besonders unfaire Maßnahme, die nicht nur von Ländern wie Griechenland, Italien, Kroatien, Spanien - also Ländern Südeuropas mit großen Finanzproblemen - als Maßnahme eingesetzt wird, um gegenzusteuern, nein, sie wurde 2013 auch erhöht etwa in Finnland auf 24 Prozent, sie wurde erhöht in den Niederlanden, also einem der reichsten Länder Europas, sie wurde aber auch bei unseren Nachbarn - etwa in Tschechien, in Slowenien, oder in Ungarn, dort sogar auf 27 Prozent - erhöht. Dies ist eine Maßnahme, die durch die Preise der Lebensmittel zwar schnell für die Steuer-, für die Finanzbehörden funktioniert, weil einfach nur die Kassa umgestellt wird, aber sie belastet die Haushalte in einem sehr unsozialen Ausmaß ungleich stärker. /// Wir haben abgesehen von diesen Maßnahmen im Wissen agiert, dass jede Erhöhung Auswirkungen hat - jede, und ich will keine kleinreden, auch nicht eine Anpassung, die über viele Jahre nicht geschehen ist, und auch diese will ich nicht kleinreden. Dem gegenüber steht aber eine Anpassung, etwa auch im Bereich der Pendlerpauschale, die wir vorgenommen haben, wir versuchen also auch dort gegenzusteuern, wo wir zielgruppengenau die Mobilität der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer erhöhen und verbessern können. /// Wenn wir das Kapitel der ganztägigen Schulen als ein Beispiel nehmen, wobei eine große Übereinstimmung in diesem Hause herrscht, dass die Weiterentwicklung der Schule und die Möglichkeit der ganztägigen Betreuung in der Schule einen Fortschritt, eine Verbesserung für unsere Kinder, für die Schülerinnen und Schülerin in unserem Lande darstellt, dann wollen wir bei diesem Ausbau ganztägiger Schulstandorte auch flächendeckend Beispiele setzen, wo wir sagen: Wir warten nicht darauf, bis in mühsamen Abstimmungsvorgängen irgendwann einmal eine Mehrheit kommt, sondern wir wollen von uns aus ganztägige Schulklassen in den Regionen anbieten, auch Schulklassen mit verschränktem Unterricht. /// Und ich weiß, dass gerade bei den ganztägigen Schulformen zwar viele Experten in aller Deutlichkeit sagen, das ist einer der wesentlichen Unterschiede zu den erfolgreichen Ländern, also jenen, die in der PISA-Studie vor uns sind - und wenn man sich den Unterschied ansieht, dann ist die ganztägige Schule offensichtlich ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg -, ich weiß aber, dass es in der Bevölkerung hier keine so flächendeckende Übereinstimmung gibt, obwohl man insbesondere beim verschränkten Unterricht den Vorteil hat, dass man die Nachhilfelehrer nicht benötigt, weil in der Schule sehr viel an Förderung, an Unterstützung, auch an Ausgleich von Benachteiligung passiert. Viele Eltern in unserem Lande sind noch nicht so überzeugt von diesem Schulmodell, aber ich glaube, dass wir mit den Beispielen, die wir setzen, das Prinzip der Freiwilligkeit beibehalten und in diesem Prinzip der Freiwilligkeit für dieses Modell besonders werben. /// Die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl sowie der Ausbau der Neuen Mittelschule hat eine Reihe von Grundlagen geschaffen, auf die wir aufbauen können. Auch die Ausbildung bis zum 18. Lebensjahr, die Ausbildung über den Pflichtschulabschluss hinaus, ist etwas, das uns sehr beschäftigt, wenn wir näher analysieren wollen, warum denn junge Leute arbeitslos sind. Hier gibt es doch einen Nachholbedarf, insbesondere im Bereich von Mindestqualifikationen und Schulabschlüssen. Das Nachholen dieses Pflichtschulabschlusses einerseits, andererseits auch eine Verbesserung der dualen Ausbildung, die wir übrigens in ganz Europa zur Ausbildung von Facharbeitern benötigen würden, steht hier ganz oben auf der Agenda. /// Fairness am Arbeitsmarkt in allen Bereichen, beispielsweise durch Einschränkung von sogenannten All-in-Verträgen, die oft die Leistungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht bezahlen. /// All diese Dinge, die mit Korrektheit, mit Anständigkeit, mit Fairness zu tun haben, müssen gemeinsam ausgebaut werden, gemeinsam mit den Sozialpartnern unseres Landes, denn "gemeinsam" heißt, sich zu respektieren, heißt, dass Interessengegensätze nicht verheimlicht, nicht verniedlicht, sondern in konstruktiver, gemeinsamer Weise ausverhandelt und gelöst werden. /// Bei älteren Arbeitnehmern schafft ein Bonus-Malus-System Anreize, damit Unternehmen ältere Mitarbeiter einstellen. Wir wissen - ich darf Ihnen das nochmals sagen -, dass, wenn wir bis zum Jahr 2018 das faktische Pensionsalter um 1,7 Jahre anheben wollen, es einer Leistung bedarf, die rückblickend in unserem Land noch nie in einem vergleichbaren Zeitraum stattgefunden hat. Das Höchste war bisher eine Anhebung von einem Drittel des Zeitraumes. /// Eine Voraussetzung dafür ist aber auch, dass es die dafür notwendigen Arbeitsplätze gibt, und deshalb ist das Bonus-Malus-System ein Beispiel, wo wir durchaus auch von anderen Ländern lernen können. Ich halte nichts von der Aussage: "Wir leben im eigenen Land, und was geht uns alles andere in dieser Welt an?" - Wer so engstirnig ist, der wird in der Wissenschaft nichts, der wird in der Wirtschaft nichts erreichen. Daher ist diese Offenheit anderen Systemen und Ländern gegenüber auch wichtig. /// Es zeigt sich gerade beim Bonus-Malus-System für ältere Arbeitnehmer, dass es Länder gibt, die Modelle geschaffen haben, wo der Wert von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bedeutend ist, und wo es auch eine gesellschaftspolitische Grundeinstellung ist, zu sagen: Wir reden nicht nur darüber, wie lange jemand arbeiten sollte, sondern wir - Wirtschaft und Gemeinschaft - fühlen uns gemeinsam dazu verpflichtet, dass es diese Arbeitsplätze tatsächlich gibt. Daher messe ich der Diskussion bezüglich älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch in unserem Land eine besondere Bedeutung zu. /// Nun werden viele fragen: Aber was ist, wenn ihr dieses Ziel nicht erreicht? Was ist, wenn ihr euch mit den Maßnahmen, die ihr gesetzt habt und die ihr setzen wollt und mit dem engagierten Umsetzen auch jener Beschlüsse, die zu einem großen Teil schon gefasst wurden oder sich in Umsetzung befinden, um das faktische Pensionsalter zu erhöhen, übernommen habt? Meine Antwort lautet, dass wir als Regierung wissen, dass wir nicht einfach ein Rezeptbuch vorzulegen haben, sondern selbstverständlich Punkt für Punkt dort, wo etwas nicht so läuft, wie wir es vorhaben beziehungsweise wie es auch notwendig ist für das Land, nachzujustieren haben. /// Das ist keine Besonderheit, dass, wenn etwas aus dem Ruder läuft, wir uns hinstellen und erklären, welche unserer Maßnahmen besonders gut funktionieren, welche besonders gut gegriffen haben und bei welchen nachgebessert und wodurch sie verbessert werden - auch das soll in einem Geiste der Gemeinsamkeit und Teamfähigkeit passieren. /// Ich möchte betreffend den Gesundheitsbereich beziehungsweise der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zwei Beispiele hervorheben, wo es darauf ankommt, den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, dass das Steuerniveau, das wir als eines der reichsten Länder Europas haben, auch dafür eingesetzt wird, dass wir einen Rekordstand an Kinderbetreuungsplätzen haben und diesen durch Ausbau weiter erhöhen werden. /// Es gilt, diese weißen Flecken zu schließen, die es immer noch gibt, damit auch die Fragestellung aufzugreifen, wie viel denn in einem Umlagensystem für die nächste Generation einbezahlt wird; das heißt vom Fortschritt einer Gesellschaft zu handeln, denn diese Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfordert den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. /// Und damit bin ich bei einem wesentlichen Punkt, der die Zusammenarbeit mit den Bundesländern anspricht. Es wird in unserem Land, wenn wir den Föderalismus ernst nehmen, eine enge und gute, auch eine hartnäckige Zusammenarbeit und Durchsetzung unserer Interessen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geben müssen, um diese Aufgaben, die durch die Kompetenzverteilung oft von mehreren wahrzunehmen sind, gemeinsam zu bewerkstelligen. /// Dazu gehört auch der Bereich Transparenz. Wenn wir heute nicht klar sagen können, welche Einzelförderungen es für Bürgerinnen und Bürger, für einzelne Unternehmen auf Landes- oder Gemeindeebene gibt, dann müssen wir hier eine Transparenz schaffen, damit auch in Zukunft im Geiste der Solidarität die Richtigen das bekommen, was wir gemeinsam als Ziele definiert haben. /// Auch der Bereich Landwirtschaft, des ländlichen Raumes, der Bereich der Vielfalt unseres Landes und der notwendige Respekt für diesen Bereich in unserer Gesellschaft müssen in dieser engen Zusammenarbeit zum Ausdruck kommen. Es macht keinen Sinn, wenn die einen den nötigen Respekt bei den Arbeitern oder etwa bei den Eisenbahnern vermissen lassen und dafür die anderen den nötigen Respekt bei den Menschen, die im landwirtschaftlichen Bereich tätig sind. Wir brauchen den Respekt in unserer Gesellschaft als Grundwert der Gemeinsamkeit. Das werden wir doch aus unserer Geschichte gelernt haben. /// Im Gesundheitsbereich hat die Pflege deshalb einen besonderen Stellenwert, weil die Menschen älter werden, aber auch deshalb, weil sich durch die hohe Erwerbsquote von Frauen das, was früher im Rollenbild ohnehin nicht immer sehr fair, aber Tatsache war, dass Frauen die Pflege von Familienangehörigen übernommen haben, durch die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen und durch den Fortschritt in unserer Gesellschaft, da sie selbst auch wirtschaftlich aktiv sind, geändert hat. Dass dieser Bereich der Pflege, die Betreuung zu Hause und die mobile Pflege, seine entsprechende Berücksichtigung und Förderung findet, damit die Menschen möglichst lange zu Hause bleiben und gepflegt werden können, ist ein Schwerpunkt der Arbeit der nächsten fünf Jahre, der ebenfalls mit Respekt, insbesondere zum Großteil natürlich gegenüber älteren Menschen in unserem Land, zu tun hat. /// Zur Umwelt. Wenn wir im Bereich der erneuerbaren Energien Leistungen erbringen wollen, wenn wir unserer Vorreiterrolle im Zusammenhang mit unserer gemeinsamen Gegnerschaft zu Kernkraftwerken gerecht werden wollen, dann sind wir gefordert, gerade im Bereich der Wärmedämmung, also der Effizienzverbesserung und Einsparung von Energie, aber auch im Ausbau von erneuerbarer Energie, in der Forschung beginnend, Zeichen zu setzen, die belegen, dass es in Österreich richtig war, nicht auf Kernenergie zu setzen, und dass es richtig ist, in Europa nicht auf Kernenergie zu setzen. /// Wissenschaft und Forschung. Viele Bereiche, die damit zu tun haben, dass wir Schlüsselfragen über die Zukunft unserer Gesellschaft zu verantworten haben, werden von engagierten Vertretern gemeinsam mit den dafür verantwortlichen Regierungsmitgliedern deshalb vorangetrieben, weil die Frage, wie stark ein Land in seiner Innovationskraft ist, natürlich hier einen besonderen Niederschlag finden muss. /// Ich möchte aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch jenen danken, die bisher in der Regierung tätig waren. Und ich weiß, dass ihre Arbeit nicht leicht war, gerade wenn es um Einsparungen gegangen ist. Wir haben die letzten Jahre versucht, Österreich mit einem Konsolidierungskurs durch die Krise zu führen - der Gouverneur der Österreichische Nationalbank Ewald Nowotny hat gesagt, wir haben hier ein gutes Beispiel gesetzt -, mit einem Konsolidierungskurs, der die Kaufkraft der Menschen berücksichtigt, der die Investitionskraft berücksichtigt und der im Unterschied zu anderen Ländern in einer moderaten, maßhaltenden, aber konsequenten Art vorangetrieben wurde. Viele dieser Kolleginnen und Kollegen, die in der Regierung in der jüngeren Vergangenheit für uns tätig waren, haben hier große Leistungen erbracht. /// Ich möchte mich bei Dr. Claudia Schmied, bei Dr. Maria Theresia Fekter, bei Dipl.-Ing.Nikolaus Berlakovich, bei Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl, bei Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töchterle, bei Mag. Andreas Schieder und bei Dr. Reinhold Lopatka auf das Herzlichste bedanken. /// Ich möchte zum Schluss noch einen Punkt besonders hervorheben, den ich bereits mehrfach angesprochen habe. Die budgetären Spielräume, die wir schaffen wollen, sei es für Steuerreform oder für Maßnahmen zur Verbesserung unseres Gesundheitssystems oder unserer sozialen Leistungen, wird es nur geben, wenn wir auch in der Verwaltung modernisieren. Wir haben vor, mit dem Durchforsten von Subventionen und Förderungen die erforderlichen Spielräume zu schaffen, um vieles von dem, was wir gemeinsam wollen, auch umsetzen zu können. Das beginnt bei Einzelmaßnahmen wie der Zahnspange für Kinder, deren Eltern sich die Zahnspange nicht leisten können, und geht bis zu Fragen der Forschung und Entwicklung, wo wir noch viel mehr zu investieren hätten, um diese so wichtigen Schlüssel für die Innovationskraft unserer Gesellschaft noch mit deutlich mehr Mitteln zu unterlegen. Auch in der Armutsbekämpfung fehlt es uns an vielen Ecken und Enden für das, was vom Herzen und vom Engagement her und von dem, wie sich die Gesellschaft eines Landes definieren sollte, notwendig ist. /// Diese Modernisierungen machen wir deshalb, um auch die nötigen Spielräume für mehr Fairness, für mehr Gerechtigkeit in unserem Land zu schaffen. /// Ich bin daher überzeugt und möchte damit zum Schluss kommen, dass unsere Heimat, auf die wir so stolz sein können, dann am besten weiterentwickelt wird, wenn wir gemeinsam Verantwortung übernehmen.
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Ernst Ferstl
Eine satte Mehrheit ist immer auch übergewichtig.
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Joseph "Joschka" Fischer
Man hat als aufbegehrende Minderheit erfahren, welches Aggressionspotential in der schweigenden Mehrheit dieses Landes steckt. Bei friedlichsten Demonstrationen wurde gleich von Vergasen gesprochen, in Stücke hacken. Daraus hat sich dann so ein Mut zum Bekenntnis entwickelt gegen diesen ganzen Mief, gegen die Stickigkeit und die Lüge, die überall hervorsah.
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Franziska Friedl
Die Demokratie ist die beste aller Regierungsformen. Wenn man aber die Mehrheit nicht mehr hat, ist sie auch nur noch die Hälfte wert.
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Dennis Gábor
Für die Mehrheit der Menschen ist Arbeit die einzige Zerstreuung, die sie auf die Dauer aushalten können.
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Mohandas "Mahatma" Karamchand Gandhi
In Gewissensfragen gilt das Gesetz der Mehrheit nicht.
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Joachim Gauck
"Alles bleibt in Bewegung." Diesen Satz habe ich in der Ankündigung zum diesjährigen Zeitungskongress gefunden und dachte mir: Ach, das passt! Besser kann man kaum auf das Thema Transformation der Medienwelt hinweisen. Wenn alles in Bewegung bleibt, dann darf vielleicht auch Ihr Abschlussredner ein wenig weiterdenken und weiterfragen, statt künstlich so etwas wie einen Endpunkt zu setzen. Offen für den Wandel zu sein, das heißt ja auch: Offenheit aushalten, keine fertigen Antworten erzwingen. Und deshalb bin ich dankbar, dass Sie mich eingeladen haben, hier bei Ihnen zu sprechen. // Um im Bild zu bleiben: Zeitungsverleger zu sein, das ist im Jahr 2013 tatsächlich für einige ein ergebnisoffenes Geschäft. Wenn ich ins Programm schaue, dann ahne ich, dass Sie gerade ausführlich eine Reihe von Schwierigkeiten, Problemen diskutiert haben: den scharfen Wettbewerb am Medienmarkt, die Einbrüche bei den Anzeigen, die Schließung von Redaktionen oder ganzen Zeitungen, die Klippen der Digitalisierung und vieles mehr. // Allerdings: Im aktuellen Jahresbericht Ihres Verbandes sind zugleich Fakten nachzulesen, die auch zuversichtlich stimmen können, die schwarze Zahlen und keine schwarze Zukunft verheißen. Welchen Überschriften darf ich also glauben? - allen, so habe ich es mir sagen lassen. Denn was die einen als existentielle Krise erleben, ist für die anderen eine hochrentable Phase. Hier schließt ein Hauptstadtbüro, dort wächst die "Landlust". Hier verliert eine Zeitung Papierliebhaber, dort geht ein anderes Blatt erfolgreich online. Parallelwelten, so empfinden wir es, tun sich auf. Das Wort Zeitungskrise beschreibt eben nur eine Realität. Deshalb bin ich gern gekommen zu Ihrem Kongress, der einen zweiten, einen genaueren Blick auf die viel zitierte Krise wirft und vor allem: der auch einen Blick nach vorn wagt. // Wie ich gehört habe, stand bislang trotz aller Schwierigkeiten öfter das halbvolle Glas als das halbleere Glas vor den Diskutanten. Das ist gut so, denn apokalyptische Debatten um das Zeitungssterben bringen weder die Verlage, noch die Redaktionen, noch die Leserschaft voran. Im Gegenteil: Wer vom Sterben spricht, der hat ja den Weg in die Zukunft aufgegeben. Stattdessen auf Transformation zu setzen, auf neue Geschäftsmodelle, das ist in meinen Augen nicht romantisch oder weltfremd, sondern eben realistisch. Allerdings werden Sie alle dazu sicherlich Mut brauchen. // Ich wage heute den Satz: Die Zeitung hat eine Zukunft. Ihre Form mag veränderlich sein, vielleicht auch in Frage stehen. Aber ihre wichtigste Rolle für ein tieferes Verständnis und die Weiterentwicklung unserer Demokratie kann und sollte konstant bleiben. Ich meine und ich spreche vom Qualitätsjournalismus. // Qualitätsjournalismus ist nicht an eine bestimmte Form gebunden - etwa an das Papier -, sondern natürlich an Inhalte, an eine Methode, die journalistische Methode. Der Journalismus der Zukunft mag ganz oder auch teilweise anders aussehen und anders funktionieren als heute. Das mag sein. Aber ich bin ganz zuversichtlich: Es wird ihn geben! Denn vieles verändert sich um uns herum, eines jedoch bleibt: Es gibt nicht nur das Bedürfnis nach Unterhaltung, sondern auch das Bedürfnis nach Information. Unser Bedürfnis nach Klarheit und Orientierung, nach verlässlichen Fakten und verständlicher Deutung, das wird fortbestehen, auch weil mehr und mehr Nachrichten ungefiltert auf uns einströmen. // Eine gute Zeitung wird uns deshalb die Zeit, unsere Zeit, erklären. Qualitätsjournalismus ist etwas anderes als eine mit Fotos aufgehübschte Sammlung von Agenturmeldungen oder PR-Texten. Eine gute Zeitung wählt Nachrichten nach Kriterien der Relevanz aus, ordnet sie in Zusammenhänge ein, interpretiert und bewertet sodann das Geschehen. Eine gute Zeitung leistet also genau das, was wir angesichts der Informationsflut dringend brauchen: Sie zeichnet große Linien und vermittelt verschiedene Standpunkte. // Meine Damen und Herren, ich danke jedem Einzelnen von Ihnen, der sich für Qualitätsjournalismus in unserem Land stark macht! Bitte betrachten Sie diesen Dank - neben wenigen kritischen Anmerkungen, die ich Ihnen heute vielleicht zumute - als meine wichtigste Botschaft. Danke für alles, was Ihre Zeitungen unserer Demokratie an Erkenntnis, an Meinungsvielfalt und an Debattenreichtum schenken! // Sie merken, einem Zeitungspessimismus kann ich nicht das Wort reden. Allerdings möchte ich auch nicht in das Gegenteil verfallen, in einen naiven, schönfärberischen Blick auf die Lage. Es stellt sich durchaus die Frage: Ist die wichtige Funktion der Zeitungen für unsere Demokratie durch die Veränderungen am Markt gefährdet? // Ich habe den Eindruck: Die Risiken existieren, sind unübersehbar, weil die Transformation am Zeitungsmarkt die Rolle des Journalismus für unsere Demokratie im Kern berührt. Und mit diesem Kern meine ich genau den Teil von Qualität, der sich nicht in Papiermengen oder Pixeln messen lässt, sondern eine Konstante bei allem Wandel bleiben muss: die Glaubwürdigkeit einer Zeitung. Glaubwürdigkeit, das ist für mich genau das, was eine gute Zeitung ausmacht. Glaubwürdigkeit muss guten Journalismus auch künftig prägen, wenn wir einmal alle Äußerlichkeiten - alle Form- und Formatfragen - beiseitelassen. // Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Exkurs. Das Miteinander - oder sagen wir: Nebeneinander - von analogen und digitalen Zeitungen ist weit mehr als eine Formfrage, das habe ich jedenfalls so gelernt. Viele Stunden dieser Konferenz waren diesem Thema gewidmet. Gestern Abend habe ich noch überlegt, ob ich mich auf die Debatte um "Pixel versus Papier" als Laie überhaupt einlassen sollte. Kulturpessimismus gehört bekanntlich nicht zu meiner Arbeitsplatzbeschreibung. Jetzt, wo ich in einem Saal voller Experten stehe, möchte ich am liebsten behelfsmäßig ein paar Vergleiche heranziehen, wie Sie es auch in Ihrem Konferenzprogramm getan haben. Unter dem Motto: Die totgesagte Musikindustrie? Es gibt sie noch! Der totgesagte Ladenhandel? Es gibt ihn noch! Was gilt also für die totgesagte Papierzeitung? - Ich gebe zu, mir gefällt der Gedanke, dass auch in vielen Jahren große Leserschaften eine Zeitung anfassen und darin blättern, vielleicht sogar einen klugen Kommentar ausschneiden, wie ich es öfter mache, aufbewahren und bei Gelegenheit daraus zitieren. // Allerdings wäre es töricht, die Technik von morgen mit dem Erfahrungshorizont von gestern zu begrüßen. Gerade das Internet, eine Kulturrevolution im Range des Buchdrucks oder der Dampfmaschine, wird unser Leben weiter verändern und vielleicht viel stärker, als wir es derzeit prognostizieren können. Und: Mit dem Siegeszug des Internets haben die klassischen Medien ihr Informations- und Deutungsmonopol ja offenkundig verloren. Schon jetzt ist die traditionelle Rollenaufteilung zwischen Absender und Empfänger einer Nachricht, zwischen Produzent und Konsument, wie wir sie von der Papierzeitung kennen, online aufgehoben. Schon jetzt werden Nachrichten aller Art in Windeseile verbreitet und zwar weltweit. Schon jetzt fühlen sich Millionen Menschen von der Informationsflut, die so entsteht, fast hinweggespült. Professionelle Kommunikatoren - auch Politiker - investieren viel Kraft, um ihre Botschaft trotzdem an den Mann oder an die Frau zu bringen. Und schon jetzt gibt es Augenblicke, in denen kurze Tweets große Umwälzungen vorantreiben, denken wir nur an den Arabischen Frühling. // Freilich: Wie stark das Internet die Verbreitung und den Stellenwert von Nachrichten beeinflussen wird, können selbst die klügsten Zukunftsforscher nicht vorhersagen, jedenfalls nur bruchstückhaft erahnen. Das Ausmaß des Wandels ist für kaum jemanden absehbar. Manches unterschätzen, aber anderes überschätzen wir wohl auch. Umso mehr lohnt es sich, den Spielraum für Qualitätsjournalismus immer neu auszuloten. // Bei genauem Hinsehen ist ja manche neue Kommunikationsform auch nicht unbedingt eine Konkurrenz für die Zeitung. Es hat sich nämlich herumgesprochen, dass man mit 140 Zeichen keine Grundsatzdiskussion führen, aber gut auf Orte der Debatte - etwa auf Online-Zeitungen - verweisen kann. Außerdem setzt sich die Erkenntnis durch, dass anonyme Schwarmintelligenz zwar mitreißt, aber so manchen Blogger eben auch reinreißt, weil Quellen unklar bleiben und Fakten und Meinungen verschwimmen. Und der Verlust von Klarheit wird in aller Regel auch als Verlust von Wahrheit empfunden. Technisch gesehen kann heutzutage jeder mit wenig Aufwand Nachrichtenmacher sein. Aber was bedeutet das für den professionellen Journalismus? Und was bedeutet es darüber hinaus für unsere Demokratie? // Zumindest mittelfristig kann die ungefilterte, oft emotional getriebene Massenkommunikation im Netz die Zeitung als Quelle nicht ersetzen. Wir werden weiterhin angewiesen sein auf Kommunikation mit Spielregeln, auf Nachrichten, die mit professionellem Ethos gesammelt und erstellt und im Bewusstsein ihrer Qualität rezipiert werden. Eine funktionierende Demokratie braucht verlässliche Berichterstattung. Sie braucht seriöse Einordnung und sachkundige Interpretation des Geschehens. // Glaubwürdigkeit, das ist dabei für mich immer ein Schlüsselbegriff, weil sie unseren Blick von den vielen Veränderungen auf das Wesentliche lenkt. Glaubwürdigkeit, das ist freilich ein Prädikat, das in Sekunden verspielt, aber nur durch Beständigkeit erworben werden kann. Zeitungen, viele Zeitungen jedenfalls, haben es sich über Jahrzehnte, einige sogar über Jahrhunderte erarbeitet. Ich freue mich über jeden Teil dieser gewachsenen Kultur, der heute noch am Leben ist. Im August konnte ich der Hersfelder Zeitung zum 250. Jubiläum gratulieren. Das muss man sich einmal vorstellen. Das hat mich einmal mehr daran erinnert, wie eng die Geschichte der veröffentlichten Meinung mit der Geschichte unserer Demokratie verknüpft ist. Die Zeitungen sind Spiegel unseres Gemeinwesens, in guten wie in schlechten Zeiten. Für mich sind solche Jubiläen auch immer wieder ein Grund zur Freude, weil unser föderal geprägtes Land nicht zuletzt dank seiner traditionsreichen Lokalausgaben die größte Zeitungsvielfalt in Europa aufweist. Einigen Blättern ist es gelungen, ihr größtes Pfund - die Glaubwürdigkeit - erfolgreich auch in der digitalen Welt zu platzieren. Andere suchen noch nach neuen Vermarktungswegen. // Auch ich kann natürlich heute kein fertiges Modell anbieten, aber ich nenne gern einige Mindestanforderungen für die Bürgergesellschaft der Zukunft: "Wir müssen eine freie, unabhängige, vielfältige und qualitätsvolle Presse erhalten. Wir müssen sie uns leisten wollen." So habe ich es vor einem Jahr bei der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises formuliert. Und ich glaube, bei diesem Ziel sind wir uns alle hier in diesem Saal einig. Allerdings hat wohl niemand eine Blaupause, wie genau aus dem Sich-Leisten-Wollen ein Sich-Leisten-Können, wie eins aus dem anderen wird. // An dieser Stelle will ich mir eine These erlauben, sehr geehrte Verlegerinnen und Verleger: Wer glaubwürdig ist, der wird Anhänger und Mitstreiter finden auf seinem Weg. Zuerst fallen mir dabei diejenigen ein, die man früher Leserinnen und Leser nannte, die inzwischen User, Friends und Follower sind. Entscheidend ist: Die Mehrheit dieser Rezipienten verhält sich doch kritisch und anspruchsvoll. Darauf setze ich in einer aufgeklärten, bildungsbetonten Bürgergesellschaft. Präzise Informationen und Argumente werden dann immer ihr Publikum finden. // Allerdings will ich nicht verschweigen, dass ich auch heute schon ganz andere Stimmen höre. Wenn ich Menschen frage, warum sie sich für das Zeitunglesen nicht begeistern können, dann antworten viele, dass sie einfach nicht das darin finden, was sie gern lesen würden. Immer mehr junge Leute haben zum Beispiel den Eindruck, dass die Zeitungswelt eine ganz andere Realität beschreibt als die, in der sie leben. Wie könnten Zeitungen solche Gruppen für sich gewinnen? Eine einfache Antwort darauf erkenne ich nicht. Simplifizierung wäre für eine pluralistische Demokratie ohnehin keine oder eine äußerst schwache Lösung. Je vielfältiger die Lebensstile und damit die Erwartungen an den Journalismus werden, desto differenziertere Antworten brauchen wir auf die Kernfrage: Wann lohnt es für beide Seiten - Leserschaft wie Eigentümer - sich eine Zeitung zu halten? // Die Frage, wie genau sich guter, glaubwürdiger Journalismus lohnt und was er für wen wert sein kann, stellt sich gerade für Sie immer wieder neu. Ihre zweite große Gruppe von Verbündeten müssen deshalb auch künftig die Redakteurinnen und Redakteure sein. // Glaubwürdige Journalisten sind das größte Kapital einer Zeitung - mit ihrem Intellekt, mit ihrer Empathie, mit ihrer Neugier oder mit ihrer Diskussionsfreude, manchmal auch einfach nur mit ihrem Namen, der im Laufe der Jahre zu einer ganz eigenen Marke avanciert ist. Gute Journalisten fühlen sich nicht allein dem Eigentümer ihres Mediums verpflichtet, sondern auch dem Gemeinwohl. Sie beleuchten unsere Gegenwart, sie decken Missstände auf und riskieren ja in manchen Ländern der Welt dabei unter Umständen ihre Freiheit oder gar ihr Leben. Wenn sie einem Skandal nachjagen, suchen sie nicht bloß Erregung, sondern letztlich Wahrhaftigkeit. Deshalb prüfen sie die Fakten und hören die Gegenseite. Sie verstehen Erfolg nicht nur als flüchtigen, spektakulären Augenblick. Sie setzen auf langfristigen Erfolg durch Präsenz und Profil, durch Haltung und Hingabe. In diesem Sinne dienen sie der Demokratie. Das sage ich nicht nur als Bundespräsident. Ich sage es vor allem als Leser, der sich lange danach gesehnt hat, dass es diese Art von Journalismus nicht nur in Hamburg oder München, sondern auch in Rostock oder Dresden geben darf. // Deshalb gehört zur Debatte über die Zukunft des Qualitätsjournalismus für mich auch ein Wort über die Beschäftigungssituation von Journalisten. Überall lässt sich beobachten, wie feste Stellen in den Redaktionen mehr und mehr verschwinden, wie freie Mitarbeiter für Zeilenhonorare schuften, wie Volontäre als Redakteure arbeiten, aber dabei Azubilöhne verdienen. Prekäre Arbeit aber, das ist keine stabile Basis für verlässliche Inhalte. Selbst die Festangestellten haben offenbar Anlass, sich wehmütig an die gute alte Zeit zu erinnern. Viele von ihnen würden gern gründlicher recherchieren, öfter nachfragen und präziser texten. Sie sträuben sich dagegen, Masse statt Klasse zu produzieren. Der Zeit- und Kostendruck in den Redaktionen lässt immer weniger Spielraum für aufwendigen oder investigativen Journalismus. Die Streichung der Auslandskorrespondentenstellen ist ein Beispiel dafür. // Immerhin, nach und nach wächst die Erkenntnis: Google kann weder Geist noch Gespür eines Reporters vor Ort ersetzen. Und ich hoffe, dass mit dieser Einsicht ein Gegentrend greifen kann. Denn wo zu kräftig gespart wird, stellt sich oft heraus: Personelle Auszehrung schlägt früher oder später auf die Qualität durch. Und das merken dann die Leser. Es ist also kein Gutmenschengerede zu konstatieren: Langfristig ist eine solide Personalausstattung in den Redaktionen inhaltlich wie auch ökonomisch sinnvoll. // Qualitätsjournalismus und Gewinnorientierung, sie sollen doch bitte keine Gegensätze sein. Hier im Saal klingt das wie eine Selbstverständlichkeit, aber draußen muss man es manchmal erklären. Am besten gelingt das wohl durch Beispiele aus der Praxis, Beispiele, bei denen klar wird: Qualität setzt sich durch. Ein überzeugendes Medienprodukt - sei es eine klassische oder digitale Zeitung - findet auch eine Leserschaft. Ich denke an die vielen renommierten Blätter, die Sie herausgeben. Ich denke an die vielen Preise und Auszeichnungen für gelungenen Journalismus, die Ihre Häuser jedes Jahr als Bestätigung der Verlagsarbeit entgegennehmen können. Ob Hochkultur oder Mühen der Ebene: So vieles, was in Deutschland produziert wird, kann sich sehen, kann sich lesen lassen. // Ich denke auch an Erfolgsgeschichten, die ganz im Stillen wachsen. Regional und lokal passiert das tausendfach, wie wir wissen. Diese journalistische Arbeit an der Basis beobachte ich mit großem Interesse, weil sie all dem so ähnlich ist, was sich Demokraten von lokalen Politikern wünschen: nah bei den Menschen sein, zuhören ohne Überheblichkeit und ohne vorgefestigte Meinungen, dann weitertragen, was die Region bewegt und zum Mittun einladen und Missstände klar benennen. Dabei gilt gleichwohl die alte Journalistenweisheit: In der Kommune fällt es manchmal leichter, den Papst zu kritisieren als den eigenen Bürgermeister. // Es ist und bleibt die hohe Kunst, aus dem Alltag heraus die großen Lebensfragen zu stellen und zu beantworten - im Kleinen das Bedeutende für die Gesellschaft zu erkennen. Denken wir dabei nur an den oft zitierten Kaninchenzüchterverein, der meist despektierlich als Beispiel für erste Reportagen eines Volontärs genannt wird. Derlei Vereine und Initiativen sind es aber, in denen das Leben der Menschen und in denen zum Teil Basisdemokratie stattfindet. Auch dort wird ausgefochten, wer am Sonntag die Wahl gewinnt und ob es wohl hilfreich wäre, nicht nur dem eigenen Garten, sondern auch der Wahlkabine einen Besuch abzustatten. // Welches neue Bild könnte das Klischee vom Kaninchenzüchterverein ersetzen? Ist es vielleicht die multimediale, womöglich international vernetzte Lokalredaktion? Ich gebe zu, für einige Neuerungen fehlt mir noch die Vorstellungskraft. Neulich hörte ich von sogenannten News-Games, Spielen, mit denen zeitungsferne Menschen an Nachrichten herangeführt werden sollen. Kann das funktionieren? Ich weiß es nicht. Wer weiß, vielleicht werde ich im Laufe meiner Amtszeit für ein solches Novum sogar einmal einen Orden verleihen dürfen. // Was das Internet betrifft, so ist schwer vorherzusagen, welche Innovationen uns in zehn Jahren herausfordern werden. Werden wir mehr über die Gefahren und den Missbrauch reden oder über weitere Vertriebskanäle? Die intelligente Verknüpfung von Wort und Bild, von Animation und Moderation kann uns in eine Medienzukunft führen, in der noch mehr Menschen als bisher mit noch besseren Informationen erreicht werden. Das wäre gut für die Medienhäuser - und es wäre gut für die Demokratie." // "Alles bleibt in Bewegung." Zwischen Hoffnung und harter Arbeit ist dieser schöne Satz heute Analyse, Prognose und zugleich Appell: Wenn alles in Bewegung bleibt, dann bin auch ich, dann sind wir alle aufgefordert, uns mutig auf den Weg zu machen!
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Joachim Gauck
"Die Freiheit in der Freiheit gestalten". Vor 23 Jahren stand ich auf den Stufen des Reichstagsgebäudes in Berlin und ich erinnere mich noch heute an den Klang der Freiheitsglocke, als um Mitternacht die Fahne der Einheit aufgezogen wurde. Es war der Abschluss einer bewegenden Zeit, vom Aufbruch im Herbst 1989 bis zum Tag der Vereinigung - für mich war es die beglückendste Zeit meines Lebens. // Der Freiheitswille der Unterdrückten hatte die Unterdrücker tatsächlich entmachtet - in Danzig, in Prag, in Budapest und in Leipzig. Was niedergehalten war, stand auf. Und was auseinandergerissen war, das wuchs zusammen. Aus Deutschland wurde wieder eins. Europa überwand die Spaltung in Ost und West. // Ich denke auch zurück an die Monate der Einigung, und nicht wenige der Abgeordneten der ersten frei gewählten Volkskammer sind heute unter uns. Wie viel Bereitschaft zur Verantwortung war damals notwendig, um Deutschland zu vereinen, wie viel Entscheidungsmut, wie viel Improvisationsgabe. Wie vieles war zu regeln: diplomatische und Bündnisfragen, grundsätzliche Weichenstellungen, hochwichtige, aber manchmal auch banale Details. Alle, die damals mitwirkten, waren Lernende, manchmal auch Irrende - aber immer waren sie, waren wir Gestaltende! Der 3. Oktober erinnert uns also nicht nur an die überwundene Ohnmacht. Er zeugt auch von dem Willen, die Freiheit in der Freiheit zu gestalten. // All das klingt nach am heutigen Tag, dem Tag der Deutschen Einheit. // Wir blicken zurück auf das, was wir konnten - dankbar für das Vertrauen, das andere in uns setzten, und stolz auf das, was wir seitdem erreicht haben: Ostdeutsche, Westdeutsche und Neudeutsche, alle zusammen - wir alle hier im Lande, zusammen mit Freunden und Partnern in Europa und der ganzen Welt. Das vereinigte Deutschland, es ist heute wirtschaftlich stark, es ist weltweit geachtet und gefordert. Unsere Demokratie ist lebendig und stabil. Deutschland hat ein Gesellschaftsmodell entwickelt, das ein hohes Maß an Einverständnis der Bürger mit ihrem Land hervorgebracht hat. Für viele Länder in der Welt sind wir sogar Vorbild geworden - für Menschen meiner Generation fast unvorstellbar. All das ist Grund zur Dankbarkeit und Freude - einer Freude, die uns heute aber vor allem Ansporn sein soll! // Unser Land steht nun wieder vor einem neuen Anfang - so wie alle vier Jahre. Wir hatten eine Wahl. 44 289 652 Deutsche haben darüber abgestimmt, welche Bürgerinnen und Bürger künftig mitbestimmen werden über die Dinge des öffentlichen Lebens. Meine Damen und Herren Abgeordnete hier: Ich wünsche Ihnen Leidenschaft, Ehrgeiz und Achtsamkeit für all das, was Sie gestalten müssen - und was auf uns zukommt. // Denn vieles fordert uns heute heraus. Besonders auf drei große Herausforderungen möchte ich heute eingehen. Entwicklungen, die nicht jederzeit und nicht für jeden im Alltag spürbar sind, weil sie langfristig wirken. Entwicklungen auch, die nicht mehr allein innerhalb der Landesgrenzen zu regeln sind. // Erstens: In einer Welt voller Krisen und Umbrüche wächst Deutschland neue Verantwortung zu. Wie nehmen wir sie an? Zweitens: Die digitale Revolution wälzt unsere Gesellschaft so grundlegend um wie einst die Erfindung des Buchdrucks oder der Dampfmaschine. Wie gehen wir mit den Folgen um? Beginnen möchte ich allerdings - drittens - mit dem demographischen Wandel. Unsere Bevölkerung wird in beispielloser Weise altern und dabei schrumpfen. Wie bewahren wir Lebenschancen und Zusammenhalt? // Tatsächlich wird es immer weniger Jungen zufallen, für immer mehr Ältere zu sorgen. Das schafft eine schwierige Lage, die unsere Kinder und Enkel möglicherweise erheblich einschränken wird. Andererseits entsteht dadurch ein Druck, der manches in Bewegung bringt, ja einfordert, was ohnehin überfällig und richtig ist. Arbeitgeber etwa sind längst dabei, um Zuwanderer zu werben. Oder ältere Menschen erhalten neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt und zudem nutzen immer mehr Ältere die Zeitspanne nach der Berufstätigkeit für bürgerschaftliches Engagement. Immer mehr Frauen streben ins Arbeitsleben und in Führungspositionen. Dort dürfen es noch mehr werden. Die starren Rollenbilder brechen weiter auf. Neue Vereinbarungen zwischen Mann und Frau, zwischen Familie und Beruf werden möglich. // Wenn die Gesellschaft der Wenigeren nicht eine Gesellschaft des Weniger werden soll, dann dürfen keine Fähigkeiten brach liegen. Wir wissen doch, dass es so viele sind, die mehr können könnten, wenn ihnen mehr geholfen und auch mehr abverlangt würde. Ich meine die formal Geringqualifizierten, die zu fördern und einzubinden sind. Ich meine Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern, in denen Bildungsehrgeiz oder Bücher einfach fehlen. // Jeder Einzelne ist doch mit ganz eigenen Möglichkeiten geboren - und es ist ganz egal wo, in Thüringen oder Kalabrien, in Bayern oder in Anatolien. Diese Fähigkeiten gilt es zu entdecken, zu entwickeln und Menschen sogar aus niederdrückender Chancenlosigkeit herauszuholen. Bildung auch als Förderung von Urteilskraft, sozialer Verantwortung und Persönlichkeit, Bildung als Grundlage eines selbstbestimmten, erfüllten Lebens - das ist für mich ein Bürgerrecht und ein Gebot der Demokratie. // Unser Ziel muss lauten: Niemand wird zurückgelassen, nicht am Anfang und nicht am Ende eines langen Lebens. Angenommen und gestaltet, vermag der demographische Wandel unsere Gesellschaft fairer und solidarischer, aber auch vielfältiger und beweglicher und damit zukunftsfähig zu machen. // Die Bedingungen dafür zu schaffen, ist vor allem Aufgabe der Politik. Die Politik hat sich zwar auf den Weg gemacht, das sehen wir alle - aber oftmals haben wir den Eindruck, sie bewegt sich nicht immer schnell genug. Wie lange ringen wir nun schon um die frühkindliche Betreuung? Oder um die Verbesserung unserer Pflegesysteme? Oder um Modernisierung in der Einwanderungspolitik und des Staatsbürgerschaftsrechts? // Mir ist bewusst - ich müsste noch über viele innenpolitische Herausforderungen sprechen: über die Energiewende, die erst noch eine Erfolgsgeschichte werden muss. Auch über Staatsverschuldung etwa oder die niedrige Investitionsquote, die nicht ausreicht, um das zu erhalten, was vorige Generationen aufgebaut haben. Und darüber, dass noch nicht ehrlich genug diskutiert wird über die Kluft zwischen Wünschenswertem und dem Machbaren. // Viele können in den kommenden Jahren vieles noch besser machen, damit die Jahrzehnte danach gut werden. So wie wir heute davon profitieren, dass wir vor einem Jahrzehnt zu Reformen uns durchgerungen haben, so kann es uns übermorgen nutzen, wenn wir morgen - meine Damen und Herren Abgeordnete! - wiederum Mut zu weitsichtigen Reformen aufbringen. Denn wir wollen doch zeigen und wir wollen es erleben, dass eine freiheitliche Gesellschaft in jedem Wandel trotz aller Schwierigkeiten neue Entfaltungsmöglichkeiten für den Einzelnen und für die Vielen erschließen kann. // Entfaltungsmöglichkeiten! Wie viele haben wir in den vergangenen Jahren hinzugewonnen, durch Internet und durch mobile Kommunikation - ein Umbruch, dessen Konsequenzen die meisten bislang weder richtig erfasst noch gar gestaltet haben. Wir befinden uns mitten in einem Epochenwechsel. Ähnlich wie einst die industrielle Revolution verändert heute die digitale Revolution unsere gesamte Lebens- und Arbeitswelt, das Verhältnis vom Bürger zum Staat, das Bild vom Ich und vom Anderen. Ja, wir können sagen: Unser Bild vom Menschen wird sich ändern. // Nie zuvor hatten so viele Menschen Zugang zu so viel Information, nie zuvor konnte man weltweit so leicht Gleichgesinnte finden, war es technisch einfacher, Widerstand gegen autoritäre Regime zu organisieren. Manchmal denke ich: Hätten wir doch 1989 damals in Mittel- und Osteuropa uns so miteinander vernetzen können! // Die digitalen Technologien sind Plattformen für gemeinschaftliches Handeln, Treiber von Innovation und Wohlstand, von Demokratie und Freiheit, und nicht zuletzt sind sie großartige Erleichterungsmaschinen für den Alltag. Sie navigieren uns zum Ziel, sie dienen uns als Lexikon, als Spielwiese, als Chatraum, und sie ersetzen den Gang zur Bank ebenso wie den ins Büro. // Wohin dieser tiefgreifende technische Wandel führen wird, darüber haben wir einfachen "User" bislang wenig nachgedacht. Erst die Berichte über die Datensammlung der Dienste befreundeter Länder haben uns mit einer Realität konfrontiert, die wir bis dahin für unvorstellbar hielten. Erst da wurde den meisten die Gefahr für die Privatsphäre bewusst. // Vor 30 Jahren, erinnern wir uns, wehrten sich Bundesbürger noch leidenschaftlich gegen die Volkszählung und setzten am Ende das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch. Dafür hat unser Bundesverfassungsgericht gesorgt. Und heute? Heute tragen Menschen freiwillig oder gedankenlos bei jedem Klick ins Netz Persönliches zu Markte. Viele der Jüngeren vertrauen sozialen Netzwerken sogar ihr ganzes Leben an. // Ausgeliefertsein und Selbstauslieferung sind kaum voneinander zu trennen. Es schwindet jene Privatsphäre, die unsere Vorfahren doch einst gegen den Staat erkämpften und die wir in totalitären Systemen gegen Gleichschaltung und Gesinnungsschnüffelei so hartnäckig zu verteidigen suchten. Öffentlichkeit erscheint heute vielen nicht mehr als Bedrohung, sondern als Verheißung, die Wahrnehmung und Anerkennung verspricht. // Sie verstehen nicht oder sie wollen nicht wissen, dass sie so mit bauen an einem digitalen Zwilling ihrer realen Person, der neben ihren Stärken eben auch ihre Schwächen enthüllt - oder enthüllen könnte. Der ihre Misserfolge und Verführbarkeiten aufdecken oder gar sensible Informationen über Krankheiten preisgeben könnte. Der den Einzelnen transparent, kalkulierbar und manipulierbar werden lässt für Dienste und Politik, Kommerz und Arbeitsmarkt. // Wie doppelgesichtig die digitale Revolution ist, zeigt sich besonders am Arbeitsplatz. Vielen Beschäftigten kommt die neue Technik entgegen, weil sie erlaubt, von Hause oder gar im Café zu arbeiten und die Arbeitszeit völlig frei zu wählen. Gleichzeitig wird aber die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit verwischt, was ständige Verfügbarkeit bedeuten kann - rund um die Uhr. // Historisch betrachtet, sind Entwicklungssprünge nichts Neues. Im ersten Moment erleben wir sie allerdings ratlos, vielleicht auch ohnmächtig. Naturgemäß hinken dann Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen der technischen Entwicklung hinterher. Wie noch bei jeder Innovation gilt es auch jetzt, die Ängste nicht übermächtig werden zu lassen, sondern als aufgeklärte und ermächtigte Bürger zu handeln. So sollte der Datenschutz für den Erhalt der Privatsphäre so wichtig werden wie der Umweltschutz für den Erhalt der Lebensgrundlagen. Wir wollen und sollten die Vorteile der digitalen Welt nutzen, uns gegen ihre Nachteile aber bestmöglich schützen. // Es gilt also, Lösungen zu suchen, politische und gesellschaftliche, rechtliche, ethische und ganz praktische: Was darf, was muss ein freiheitlicher Staat im Geheimen tun, um seine Bürger durch Nachrichtendienste vor Gewalt und Terror zu schützen? Was aber darf er nicht tun, weil sonst die Freiheit der Sicherheit geopfert wird? Wie muss der Arbeitsmarkt aussehen, damit der allzeit verfügbare Mensch nicht zu so etwas wie einem digitalen Untertanen wird? Wie existieren Familie und Freundschaften neben den virtuellen Beziehungen? Wie können Kinder und Jugendliche das Netz nutzen, ohne darin gefangen zu werden? // Wir brauchen also Gesetze, Konventionen und gesellschaftliche Verabredungen, die diesem epochalen Wandel Rechnung tragen. // Gerade in Demokratien muss Politik schon reagieren, wenn ein Problem erst am Horizont auftaucht. Und sie muss ständig nachjustieren, sobald die Konturen klarer hervortreten. Das ist übrigens eine ihrer Stärken. // Diese Stärke ist es auch, die wir für eine weitere Herausforderung unserer Zeit brauchen: die europäische Integration. Ohne Zweifel ist das Europa in der Krise nicht mehr das Europa vor der Krise. Risse sind sichtbar geworden. // Die Krise hat Ansichten und Institutionen verändert, sie hat Kräfte und Mehrheiten verschoben. Die Zustimmung zu mehr Vergemeinschaftung nimmt ab. Nicht die europäischen Institutionen, sondern nationale Regierungen bestimmen wesentlich die Agenda. Zudem tauchen in Ländern, denen die Rezession vieles abverlangt, alte Zerrbilder eines dominanten Deutschlands auf. // Dies alles will diskutiert und abgewogen sein. Die gute Nachricht lautet: Ein starkes Band aus Mentalität, Kultur und Geschichte, es hält Europa zusammen. Entscheidend ist aber unser unbedingter Wille zur gemeinsamen Gestaltung der Zukunft. Europa, so spüren wir jetzt, kennt nicht nur eine Gestalt, auch nicht nur eine politische Organisationsform seiner Gemeinschaft. Da haben wir zu streiten und zu diskutieren über die beste Form der Zusammenarbeit, nicht aber über den Zusammenhalt Europas! Und unsere Einigungen haben wir so zu kommunizieren, dass die europäischen Völker die Lösungen akzeptieren und mittragen können. Es bleibt die Aufgabe der Politik - und als Bundespräsident nehme ich mich da überhaupt nicht aus - das Europa Verbindende zu stärken. // Was ist nun die Aufgabe Deutschlands in Europa und in der Welt? Manche Nachbarländer fürchten ja eine starke Rolle Deutschlands, aber andere wünschen sie sich. Auch wir selbst schwanken: Weniger Verantwortung, das geht eigentlich nicht länger, aber an mehr Verantwortung müssen wir uns erst noch gewöhnen. // Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schrieb die politische Denkerin Hannah Arendt: "Es sieht so aus, als ob sich die Deutschen nun, nachdem man ihnen die Weltherrschaft verwehrt hat, in die Ohnmacht verliebt hätten." Deutschland hatte, wir wissen es alle, Europa in Trümmer gelegt und Millionen Menschenleben vernichtet. Was Arendt als Ohnmacht beschrieb, hatte damals eine politische Ratio. Das besiegte Deutschland musste sich erst ein neues Vertrauen erwerben und seine Souveränität wiedererlangen. // Vor wenigen Wochen, bei meinem Besuch in Frankreich, da wurde ich allerdings mit der Frage konfrontiert: Erinnern wir Deutsche auch deshalb so intensiv an unsere Vergangenheit, weil wir eine Entschuldigung dafür suchen, den heutigen Problemen und Konflikten in der Welt auszuweichen? Lassen wir andere unsere Versicherungspolice zahlen? // Es gibt natürlich Gründe, diese Auffassung zu widerlegen oder ihr zu widersprechen. Die Bundeswehr hilft, in Afghanistan und im Kosovo den Frieden zu sichern. Deutschland stützt den Internationalen Strafgerichtshof, es fördert ein Weltklimaabkommen und engagiert sich stark in der Entwicklungszusammenarbeit. Deutschlands Beiträge und Bürgschaften helfen, die Eurozone zu stabilisieren. // Trotzdem, es mehren sich die Stimmen innerhalb und außerhalb unseres Landes, die von Deutschland mehr Engagement in der internationalen Politik fordern. In dieser Liste findet sich ein polnischer Außenminister ebenso wie Professoren aus Oxford oder Princeton. Ihnen gilt Deutschland als schlafwandelnder Riese oder als Zuschauer des Weltgeschehens. Einer meiner Vorgänger, Richard von Weizsäcker, ermuntert Deutschland, sich stärker einzubringen für eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik. // Es stellt sich tatsächlich die Frage: Entspricht unser Engagement der Bedeutung unseres Landes? Deutschland ist bevölkerungsreich, in der Mitte des Kontinents gelegen und die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Zur Stärke unseres Landes gehört, dass wir alle Nachbarn als Freunde gewannen und in internationalen Allianzen zu einem verlässlichen Partner geworden sind. So eingebunden und akzeptiert, konnte Deutschland Freiheit, Frieden und Wohlstand sichern. Diese politische Ordnung und unser Sicherheitssystem gerade in unübersichtlichen Zeiten zu erhalten und zukunftsfähig zu machen - das ist unser wichtigstes Interesse. // Deshalb ist es richtig, wenn andere ebenso wie wir selbst fragen: Nimmt Deutschland seine Verantwortung ausreichend wahr etwa gegenüber den Nachbarn im Osten, im Nahen Osten oder am südlichen Mittelmeer? Welchen Beitrag leistet Deutschland, um die aufstrebenden Schwellenländer als Partner der internationalen Ordnung zu gewinnen? // Und wenn wir einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen anstreben: Welche Rolle sind wir dann bereit, bei Krisen in ferneren Weltregionen zu spielen? // Unser Land ist keine Insel. Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten verschont bleiben von den politischen und ökonomischen, den ökologischen und militärischen Konflikten, wenn wir uns an deren Lösung nicht beteiligen. // Ich mag mir nicht vorstellen, dass Deutschland sich groß macht, um andere zu bevormunden. Aber ich mag mir genauso wenig vorstellen, dass Deutschland sich klein macht, um Risiken und Solidarität zu umgehen. Und liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein Land, das sich so als Teil eines Ganzen versteht, muss weder bei uns Deutschen auf Abwehr noch bei unseren Nachbarn auf Misstrauen stoßen. // Nun habe ich Ihnen an diesem Tag der Deutschen Einheit einiges vorgetragen zur Rolle Deutschlands in der Welt, zur digitalen Revolution und zum demographischen Wandel. Was aber ist die Grundmelodie? Ich sehe unser Land als Nation, die nach Jahrzehnten demokratischer Entwicklung "Ja" sagt zu sich selbst. Als Nation, die das ihr Mögliche und ihr Zugewachsene tut, solidarisch im Inneren wie nach außen. Als Nation, die in die Zukunft schaut und dort nicht Bedrohung sieht, sondern Chancen und Gewinn. // Wir hatten eine Wahl - und wir haben sie weiterhin! Der 3. Oktober zeigt: Wir sind nicht ohnmächtig. Und handlungsfähig, das sind wir nicht erst dann, wenn wir das Ende einer Entwicklung kennen. Wir sind es bereits, wenn wir Verantwortung annehmen, mit dem, was wir jetzt wissen, jetzt können, gestaltend eingreifen. // Wir, zusammen einzigartig, schauen uns an diesem Festtag um. Wir sehen, was uns in schwierigen Zeiten gelungen ist. Und wir sind dankbar für all das, was gewachsen ist. Und eine Verheißung kann uns zur Gewissheit werden: Wir müssen glauben, was wir konnten. Dann werden wir können, woran wir glauben.
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Joachim Gauck
Der Tag der Deutschen Einheit. Das ist für unser Land seit 25 Jahren ein Datum der starken Erinnerungen, ein Anlass für dankbaren Rückblick auf mutige Menschen. Auf Menschen, deren Freiheitswille Diktaturen ins Wanken brachte, in Danzig, Prag und Budapest. Auf Menschen auch in Leipzig, Plauen und so vielen anderen Orten der DDR, die mit der Friedlichen Revolution die Vereinigung beider deutscher Staaten überhaupt erst vorstellbar werden ließen. Ich begrüße mit besonderer Freude diejenigen unter uns, die damals dabei waren. Wir wären heute nicht hier, wenn Sie damals nicht aufgestanden wären! // Am 3. Oktober denken viele von uns an den Klang der Freiheitsglocke, an die Freudentränen nicht nur vor dem Reichstag, an die Aufbruchsstimmung, die uns beherrschte, ja: an großes Glück. // Aber in diesem Jahr ist doch manches anders. So mancher fragt: Warum zurückblicken? Hat die Bundesrepublik momentan nicht drängendere Probleme, drängendere Themen als dieses Jubiläum? Was können wir feiern in einer Zeit, in der hunderttausende Männer, Frauen und Kinder bei uns Zuflucht suchen? Einer Zeit, in der wir vor so immensen Aufgaben für unsere Gesellschaft stehen? // Meine Antwort darauf lautet, ganz einfach: Es gibt etwas zu feiern. Die Einheit ist aus der Friedlichen Revolution erwachsen. Damit haben die Ostdeutschen den Westdeutschen und der ganzen Nation ein großes Geschenk gemacht. Sie hatten ihre Ängste überwunden und in einer kraftvollen Volksbewegung ihre Unterdrücker besiegt. Sie hatten Freiheit errungen. Das erste Mal in der deutschen Nationalgeschichte war das Aufbegehren der Unterdrückten wirklich von Erfolg gekrönt. Die Friedliche Revolution zeigt: Wir Deutsche können Freiheit. // Und so feiern wir heute den Mut und das Selbstvertrauen von damals. Nutzen wir diese Erinnerung als Brücke. Sie verbindet uns mit einem Erfahrungsschatz, der uns gerade jetzt bestärken kann. Innere Einheit, so machen wir uns klar, innere Einheit entsteht, wo wir sie wirklich wollen und uns dann ganz bewusst darum bemühen. Innere Einheit entsteht, wenn wir uns auf das Machbare konzentrieren, statt uns von Zweifeln oder Phantastereien treiben zu lassen. Und innere Einheit lebt davon, dass wir im Gespräch darüber bleiben, was uns verbindet und was uns verbinden soll. // Auch 1990 gab es die berechtigte Frage: Sind wir der Herausforderung gewachsen? Auch damals gab es - wir haben es schon gehört - kein historisches Vorbild, an dem wir uns orientieren konnten. Und trotzdem haben Millionen Menschen die große nationale Aufgabe der Vereinigung angenommen und Deutschland zu einem Land gemacht, das mehr wurde als die Summe seiner Teile. // Für mich steht die positive Bilanz im 25. Jahr der Deutschen Einheit außer Frage. Auch wenn es zuweilen Enttäuschungen gab, wenn Wirtschaftskraft und Löhne nicht so schnell gewachsen sind, wie die meisten Menschen in Ostdeutschland hofften, und wenn die finanzielle Förderung länger währt, als die meisten Westdeutschen wünschen, so ist doch gewiss: Die große Mehrheit der Deutschen, gleichgültig woher sie stammen, fühlt sich in diesem vereinten Land angekommen und zuhause. Die Unterschiede sind kleiner geworden und besonders in der jungen Generation, da sind sie doch eigentlich gänzlich verschwunden. Deutschland hat in Freiheit zur Einheit gefunden - politisch, gesellschaftlich, langsamer auch wirtschaftlich und mit verständlicher Verzögerung auch mental. // Es ist wieder zusammengewachsen, was zusammengehörte - Willy Brandt hat Recht behalten. Allerdings war der Prozess der Vereinigung deutlich schwieriger, als die meisten in der Euphorie vor 1989/90 glaubten. Beide Seiten hatten sich ihre Eindrücke vom "Drüben" ja lange nur aus der Ferne gemacht. Als wir einander schließlich direkt in Augenschein nehmen konnten, da waren viele Menschen überrascht, einige auch erschrocken. "Alles marode", sagten die einen. "Alles Show", fanden die anderen. // Eins stimmt natürlich: Noch hat der Osten das wirtschaftliche Niveau des Westens nicht erreicht. Gleichwohl, das Bild vom maroden Osten ist inzwischen Vergangenheit. Der äußere Wandel ist überdeutlich in Vorher-Nachher-Bildern darstellbar: hunderttausende von Eigenheimen, sanierte Straßen, Dörfer, Städte, gerettete Baudenkmäler und Kulturstätten, saubere Flüsse und Seen. All die runderneuerten Landstriche, sie geben Anlass zur Freude. Sie sind Zeugnisse einer großen gemeinsamen Anstrengung und Belege dafür, dass auch die Westdeutschen die Einheit als gesamtdeutsche Aufgabe angenommen haben, zeigten sie sich doch von Anfang an solidarisch mit jenen, von denen sie über Jahrzehnte getrennt worden waren. // Ich kann und will dies am heutigen Festtag nicht für selbstverständlich nehmen, sondern ich will es würdigen, ausdrücklich und dankbar. // In diesem Zusammenhang sollten wir uns außerdem bewusst machen, dass auch die Westdeutschen den Ostdeutschen ein Geschenk gemacht haben: mit dem Grundgesetz, das die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt, die Grundrechte sichert, mit einer funktionierenden Demokratie, einer unabhängigen Justiz und einem sozialen System, das die Schwachen auffängt. // Allerdings hat die Einheit den meisten Westdeutschen im täglichen Leben wenig abverlangt, den Ostdeutschen dagegen mit einem enormen Transformationsdruck sehr viel. Das neue Leben im Osten brachte ja nicht nur volle Einkaufsregale, schnelle Autos und bunte Reisekataloge. Es brachte auch die massenhafte "Abwicklung" sogenannter volkseigener Betriebe, brachte damit Massenarbeitslosigkeit und Massenabwanderung. Leere Werksgelände, leere Plattenbauten, leere Schulklassen - all das hinterließ seelische Spuren. Selbst für die Jüngsten von damals, die sich heute als "Wendekinder" bezeichnen, sind dies prägende Erinnerungen, sie sind in ihrem Gedächtnis geblieben. // Für 16 Millionen Menschen änderte sich in kürzester Zeit fast alles. Aber manches - gemessen an den großen Hoffnungen - eben nicht schnell genug. Erst allmählich wurde klar, dass die Angleichung der Lebensverhältnisse und Mentalitäten in Ost und West eine Aufgabe, ein Prozess von Generationen - ja: Plural! - sein würde. // Schmerzlich mussten wir im Osten erfahren, dass wir Demokratie 1989/90 zwar über Nacht erkämpfen, nicht aber über Nacht auch erlernen konnten. Gestern Untertan, heute Citoyen: was für ein Irrtum! Ohnmacht hatte sich in vielen Köpfen eingenistet. Ohnmacht nach Jahrzehnten totalitärer Diktatur, in denen die Grundrechte der Menschen beschnitten und das eigenverantwortliche Tun gelähmt war, in denen freie Wahlen ein ferner Traum bleiben mussten. So erklärt sich die wohl größte Herausforderung der Ostdeutschen im vereinten Land. Es galt, jahrzehntelange Selbstentfremdung zu überwinden, möglichst im Zeitraffer. Es galt, genau das zu tun, was vorher alles andere als erwünscht war: selbständig zu denken, selbständig zu handeln. Von Freiheit nicht nur zu träumen, sondern Freiheit in der Freiheit tatsächlich zu gestalten. // Trotz aller Schwierigkeiten: Millionen Ostdeutsche haben den persönlichen Neuanfang gewagt und bewältigt, unter neuen Prämissen, in neuen Berufen oder an neuen Orten. Millionen haben die Brüche ihrer Biographien in Zukunft verwandeln können, haben Unternehmen gegründet und Verwaltungen demokratisiert, haben an Universitäten die freie Lehre und Forschung eingeführt, haben Vereine ins Leben gerufen, wo sich vorher der Staat für zuständig hielt. Millionen Menschen haben sich der fundamentalen Einsicht geöffnet: Neue Freiheit bietet neue Möglichkeiten, aber sie verlangt eben gleichzeitig die Übernahme neuer Verantwortung, auch Selbstverantwortung. Besonders diese Veränderungsleistung der Ostdeutschen war enorm. Sie wirkt bis heute nach. // Und genau an dieser Stelle möchte ich einmal Dank sagen all denen, die angepackt haben, die das gemacht haben, was sie vorher nie gelernt hatten: als ehren- oder hauptamtlicher Bürgermeister, als Abgeordneter, als Sekretär einer freien Gewerkschaft, als Verantwortlicher einer demokratischen Partei, als Minister, als Ministerpräsident, gar als Bundeskanzlerin - sie alle hatten niemals erwartet, zu tun, was sie dann taten. Wir schauen heute einmal auf sie alle - und sagen einfach "Danke". // Zu denen, die ich eben aufgezählt habe, gehört auch mancher unserer Gäste. Ich sehe in der dritten Reihe jemanden aus der polnischen Nachbarschaft, Bogdan Borusewicz, heute Senatspräsident der Republik Polen. Damals aber, in der Zeit, über die ich eben gesprochen habe, als wir alle ganz woanders waren, da war er ein unbekannter Mann aus der Mitte des Volkes, der mutiger und früher angefangen hat als wir und der uns zusammen mit seinen Landsleuten motiviert hat, auch etwas zu wagen. Danke! // Meine Damen und Herren, die innere Einheit Deutschlands konnte vor allem wachsen, weil wir uns als zusammengehörig empfanden und weil wir in Respekt vor denselben politischen Werten gemeinsam leben wollten. Doch nun, da viele Flüchtlinge angesichts von Kriegen, von autoritären Regimen und zerfallenden Staaten nach Europa, nach Deutschland getrieben werden, nun stellt sich doch die Aufgabe der inneren Einheit neu. Wir spüren: Wir müssen Zusammenhalt wahren zwischen denen, die hier sind, aber auch Zusammenhalt herstellen mit denen, die hinzukommen. Es gilt, wiederum und neu, die innere Einheit zu erringen. // Diese Entwicklung hat vor 25 Jahren niemand ahnen können. Damals, nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regime und dem Ende des Ost-West-Konflikts, sahen wir sehr optimistisch in die Zukunft. Wir wähnten uns sogar am Beginn einer neuen Epoche. Die Überlegenheit der Demokratie schien schlagend bewiesen, ihr weltweiter Siegeszug nur noch eine Frage der Zeit. Wir erinnern uns an Francis Fukuyama, den amerikanischen Politologen, der das "Ende der Geschichte" verkündete. Mit ihm glaubten viele - auch ich - an eine gerechtere, friedliche und demokratische Zukunft. // Die Hoffnung auf eine solche Veränderung weltweit, sie ist jedoch zerstoben. Statt weiterer Siege von Freiheit und Demokratie erleben wir vielerorts das Vordringen autoritärer Regime und islamistischer Fundamentalisten. Statt mit größerer Friedfertigkeit sind wir konfrontiert mit Terrorismus, mit Bürgerkriegen, imperialen Landnahmen und einer Renaissance von Geopolitik. Und die Gemeinschaft der Europäer, die vor 25 Jahren begann, Ost- und Westeuropa zusammenzuführen, sie findet sich nun mit der Euro-Rettung, auch hier und da mit Austrittsdiskussionen und vor allem mit der Bewältigung der Fluchtbewegungen mitten in einer Zerreißprobe. // Aber was heißt es nun, die innere Einheit wieder und neu zu erringen, wenn sich die Zusammensetzung der Bevölkerungen in kurzer Zeit so erheblich verändert? Wie schaffen es Staaten, wie schaffen es Gesellschaften, ein inneres Band zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen herzustellen? Und wie kann die Europäische Union Einvernehmen erreichen, wenn die Haltungen gegenüber Flüchtlingen noch so unterschiedlich sind? // Noch führt der Druck die europäischen Staaten nicht völlig zusammen. Allerdings zeigen die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Union, dass die Einsicht wächst: Es kann keine Lösung in der Flüchtlingsfrage geben - es sei denn, sie ist europäisch. Wir werden den Zustrom von Flüchtlingen nicht verringern können - es sein denn, wir erhöhen unsere gemeinsamen Anstrengungen zur Unterstützung von Flüchtlingen in den Krisenregionen, sowie vor allem zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Und auch das müssen wir uns klar machen: Wir werden unsere heutige Offenheit nicht erhalten können - es sei denn, wir entschließen uns alle gemeinsam zu einer besseren Sicherung der europäischen Außengrenzen. // Die Gewissheit über diese gemeinsamen Aufgaben hebt jedoch die Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten nicht automatisch auf. In den aktuellen Debatten offenbaren sich unterschiedliche Haltungen aufgrund unterschiedlicher historischer Erfahrungen. Wir erleben das ja schon bei uns, im wiedervereinigten Land, der Bundesrepublik Deutschland. Westdeutschland konnte sich über mehrere Jahrzehnte daran gewöhnen, ein Einwanderungsland zu werden - und das war mühsam genug: ein Land mit Gastarbeitern, die später Einwanderer wurden, mit politischen Flüchtlingen, Bürgerkriegsflüchtlingen und Spätaussiedlern. Für die Menschen im Osten war es doch ganz anders. Viele von ihnen hatten bis 1990 kaum Berührung mit Zuwanderern. Wir haben erlebt: Die Veränderung von Haltungen gegenüber Flüchtlingen und Zuwanderern kann immer nur das Ergebnis von langwierigen - auch konfliktreichen - Lernprozessen sein. Diese Einsicht sollte uns nun auch Respekt vor den Erfahrungen anderer Nationen ermöglichen. // Wenn wir Deutsche uns an die "Das Boot ist voll"-Debatten vor zwanzig Jahren erinnern, dann erkennen wir, wie stark sich das Denken der meisten Bürger in diesem Land inzwischen verändert hat. Der Empfang der Flüchtlinge im Sommer dieses Jahres war und ist ein starkes Signal gegen Fremdenfeindlichkeit, Ressentiments, Hassreden und Gewalt. Und was mich besonders freut: Ein ist ein ganz neues, ganz wunderbares Netzwerk entstanden - zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, zwischen Zivilgesellschaft und Staat. Es haben sich auch jene engagiert, die selbst einmal fremd in Deutschland waren oder aus Einwandererfamilien stammen. Auf Kommunal-, Landes- wie Bundesebene wurde und wird Außerordentliches geleistet. Darauf kann dieses Land zu Recht stolz sein und sich freuen. Und ich sage heute: Danke Deutschland! // Und dennoch spürt wohl fast jeder, wie sich in diese Freude Sorge einschleicht, wie das menschliche Bedürfnis, Bedrängten zu helfen, von der Angst vor der Größe der Aufgabe begleitet wird. Das ist unser Dilemma: Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich. // Tatsache ist: Wir tun viel, sehr viel, um die augenblickliche Notlage zu überwinden. Aber wir werden weiter darüber diskutieren müssen: Was wird in Zukunft? Wie wollen wir den Zuzug von Flüchtlingen, wie weitere Formen der Einwanderung steuern - nächstes Jahr, in zwei, drei, in zehn Jahren? Wie wollen wir die Integration von Neuankömmlingen in unsere Gesellschaft verbessern? // Wie 1990 erwartet uns alle eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird. Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte. Ost- und Westdeutsche hatten ja dieselbe Sprache, blickten auf dieselbe Kultur zurück, auf dieselbe Geschichte. Ost- und Westdeutsche standen selbst in Zeiten der Mauer durch Kirchengemeinden, Verwandte oder Freunde in direktem Kontakt miteinander und wussten über die Medien voneinander Bescheid. Wie viel größere Distanzen dagegen sind zu überwinden in einem Land, das zu einem Einwanderungsland geworden ist. Zu diesem Land gehören heute Menschen verschiedener Herkunftsländer, Religionen, Hautfarben, Kulturen - Menschen, die vor Jahrzehnten eingewandert sind, und zunehmend auch jene, die augenblicklich und in Zukunft kommen, hier leben wollen und hier eine Bleibeperspektive haben. // Ähnlich wie bei den Zuwanderern seit den 1960er Jahren, aber wohl in größerem Ausmaß werden wir erleben: Es braucht Zeit, bis Einheimische sich an ein Land gewöhnen, in dem Vertrautes zuweilen verloren geht. Es braucht Zeit, bis Neuankömmlinge sich an eine Gesellschaftsordnung gewöhnen, die sie nicht selten in Konflikt mit ihren traditionellen Normen bringt. Und es braucht Zeit, bis alte und neue Bürger Verantwortung in einem Staat übernehmen, den alle gemeinsam als ihren Staat begreifen. // Wir befinden uns aktuell in einem großen Verständigungsprozess über das Ziel und das Ausmaß dieser neuen Integrationsaufgabe. So etwas ist in Demokratien auch verbunden mit Kontroversen - das ist normal. Aber meine dringende Bitte an alle, die mitdebattieren, ist: Lassen Sie aus Kontroversen keine Feindschaften entstehen. Jeder soll merken, wir debattieren, weil es uns um Zusammenhalt geht, um ein Miteinander, auch in der Zukunft. // Und wir nehmen aus unserer jüngeren Geschichte etwas mit, das wir niemals aufgeben dürfen: den Geist der Zuversicht. Wir haben nicht nur davon geträumt, unser Leben selbstbestimmt gestalten zu können, nein, wir haben es getan! Wir sind die, die sich etwas zutrauen. // Und so gestimmt fragen wir uns jetzt: Was ist denn das innere Band, das ein Einwanderungsland zusammenhält? Was ist es, das uns verbindet und verbinden soll? // In einer offenen Gesellschaft kommt es nicht darauf an, ob diese Gesellschaft ethnisch homogen ist, sondern ob sie eine gemeinsame Wertegrundlage hat. Es kommt nicht darauf an, woher jemand stammt, sondern wohin er gehen will und mit welcher politischen Ordnung er sich identifiziert. // Gerade weil in Deutschland unterschiedliche Kulturen, Religionen und Lebensstile zuhause sind, gerade weil Deutschland immer mehr ein Land der Verschiedenen wird, braucht es eine Rückbindung aller an unumstößliche Werte - einen Kodex, der allgemein als gültig akzeptiert wird. // Ich erinnere mich noch gut, welche Ausstrahlung die westlichen Werte bei uns in der DDR und in anderen Staaten des ehemaligen Sowjetblocks besaßen. Wir sehnten uns nach Freiheit und Menschenrechten, nach Rechtsstaat und Demokratie. Diese Werte, obwohl im Westen entstanden, sind zur Hoffnung für Unterdrückte und Benachteiligte auf allen Kontinenten geworden. Die Demokratie hat zwar seit 1990 keinen weltweiten Siegeszug angetreten, aber ihre Werte sind weltweit präsent, werden zunehmend nicht mehr als westlich, sondern als universell bezeichnet und verstanden. Und das ist richtig so. // Doch nicht immer und nicht überall vermögen sie jeden zu überzeugen, übrigens auch nicht bei uns. Wir wissen, dass selbst im Westen die eigenen Werte verletzt wurden und gelegentlich auch werden. Aber damit sind doch nicht die Werte diskreditiert, sondern diejenigen, die sie verraten. // Und diese, unsere Werte, sie stehen nicht zur Disposition! Sie sind es, die uns verbinden und verbinden sollen, hier in unserem Land. Hier ist die Würde des Menschen unantastbar. Hier hindern religiöse Bindungen und Prägungen die Menschen nicht daran, die Gesetze des säkularen Staates zu befolgen. Hier werden Errungenschaften wie die Gleichberechtigung der Frau oder homosexueller Menschen nicht in Frage gestellt und die unveräußerlichen Rechte des Individuums nicht durch Kollektivnormen eingeschränkt - nicht der Familie, nicht der Volksgruppe, nicht der Religionsgemeinschaft. Und vor diesem Hintergrund gewinnt der Satz, den wir alle kennen - Toleranz für Intoleranz darf es nicht geben - seine humane Basis. Und noch etwas: Es gibt in unserem Land politische Grundentscheidungen, neben den eben angesprochenen, die ebenfalls unumstößlich sind. Dazu zählt unsere entschiedene Absage an jede Form von Antisemitismus und unser Bekenntnis zum Existenzrecht von Israel. // Wir kennen keine andere Gesellschaftsordnung, die dem Individuum so viel Freiheit, so viele Entfaltungsmöglichkeiten, so viele Rechte einräumt wie die Demokratie. Sie mag mangelhaft sein, aber wir kennen keine andere Gesellschaftsordnung, die im Widerstreit von Lebensstilen, Meinungen und Interessen zu so weitgehender Selbstkorrektur fähig ist. Wir kennen auch keine Gesellschaftsordnung, die sich so schnell neuen Bedingungen anzupassen und zu reformieren vermag, weil sie - wie Karl Popper einmal sagte - auf einen Menschen baut, "dem mehr daran liegt zu lernen, als recht zu behalten". // Für eben diese Werte und für diese Gesellschaftsordnung steht die Bundesrepublik Deutschland. Dafür wollen wir auch unter den Neuankömmlingen werben - nicht selbstgefällig, aber selbstbewusst, weil wir überzeugt sind: Dieses Verständnis, kodifiziert im Grundgesetz, ist und bleibt die beste Voraussetzung für das Leben, nach dem gerade auch Menschen auf der Flucht streben. Ein Leben - wie es in unserer Nationalhymne heißt - in Einigkeit und Recht und Freiheit.
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Joachim Gauck
Guten Abend aus dem Schloss Bellevue, ein frohes Weihnachtsfest wünsche ich Ihnen allen. // Ein frohes Weihnachtsfest - so wünschen wir es einander jedes Jahr. Aber vielen von uns fällt es in diesem Jahr nicht leicht, in weihnachtlicher Stimmung zu sein. Zwar hat sich die Mehrzahl der Deutschen mit Freude und Dank daran erinnert, dass wir nun schon seit 25 Jahren in einem wiedervereinigten, freien und demokratischen Land leben. // Aber das Jahr war doch in hohem Maß gekennzeichnet von Unglück, von Gewalt, Terror und Krieg. Wir erinnern uns an die schreckliche Flugzeugkatastrophe in den französischen Alpen. Wir rufen die zahlreichen Krisen auf, die sich überlagerten, fast alle andauern und bei zahllosen Menschen Unsicherheit, oft auch Angst auslösen. Ich nenne nur die Finanzkrise und die zunehmenden Differenzen in der Europäischen Union, ich nenne die intensiven Debatten um die Zukunft Griechenlands. Ich denke auch an die Ukraine, Syrien, Afghanistan, die vom Terror bedrohten Gebiete Afrikas. Und heute, Weihnachten, denke ich besonders an Menschen, die wegen ihres christlichen Glaubens verfolgt werden. Dankbar grüße ich die zivilen Helfer, die inmitten von Hunger, Not und Bürgerkrieg unermüdlich tätig sind. In gleicher Weise grüße ich die Soldatinnen und Soldaten, die im gefährlichen Kampf gegen die Wurzeln des Terrors, der vor kurzem unter anderem auch in Paris gewütet hat, eingesetzt sind. // Was uns gegenwärtig jedoch besonders umtreibt, ist die Frage: Wie sollen wir mit den vielen Flüchtlingen umgehen, die in unserem Land Bleibe und Zukunft suchen? // Wir standen und stehen vor einer besonders großen Herausforderung. Wo die Behörden an ihre Grenzen kamen, haben Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Menschen willkommen geheißen. Spontan und wie selbstverständlich. Tausendfach haben Sie Essen und Trinken, Decken und Kleidung gebracht, Sprachkurse organisiert und Unterstützung bei Behördengängen geleistet. // Sie alle sind zum Gesicht eines warmherzigen und menschlichen Landes geworden. // Auch von Berufs wegen haben Unzählige getan, was in ihren Kräften stand: in Landratsämtern und Stadtverwaltungen, in Sozial- und Gesundheitsbehörden, in Schulen und Kindergärten, bei den Landespolizeien und der Bundespolizei, in Bundesämtern und Ministerien. // Ob haupt- oder ehrenamtlich: Wir haben gezeigt, was in uns steckt - an gutem Willen und an Professionalität, aber auch an Improvisationskunst. Und wir haben gesehen: Der Einzelne wie auch die Gesellschaft können sich beständig neu entdecken und wachsen. So kann sich das Land erkennen in den Herausforderungen, die es annimmt und, da bin ich zuversichtlich, auch meistern wird. // Gegenwärtig belastet viele zwar die Heftigkeit der Debatte. Aber lassen Sie mich daran erinnern: Der Meinungsstreit ist keine Störung des Zusammenlebens, sondern Teil der Demokratie. Lassen Sie uns einen Weg beschreiten heraus aus falschen Polarisierungen. Gerade die solidarischen und aktiven Bürger und Bürgermeister sind es ja oft, die auf ungelöste Probleme hinweisen. // Eines allerdings ist klar: Gewalt und Hass sind kein legitimes Mittel der Auseinandersetzung, Brandstiftung und Angriffe auf wehrlose Menschen verdienen unsere Verachtung und verdienen Bestrafung. // Genauso klar ist: Nur mit offenen Diskussionen und Debatten können wir Lösungen finden, die langfristig Bestand haben und von Mehrheiten getragen werden. Wir sind es, die Bürger und ihre gewählten Repräsentanten, die entwickeln und verteidigen werden, was dieses unser liberales und demokratisches Land so lebenswert und liebenswert macht. Wir sind es, die Lösungen finden werden, die unseren ethischen Normen entsprechen, und den sozialen Zusammenhalt nicht gefährden. Lösungen, die das Wohlergehen der eigenen Bürger berücksichtigen, aber nicht die Not der Flüchtlinge vergessen. // Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, das Weihnachtsfest erinnert uns daran, dass wir Menschen Kraftquellen benötigen, um unser Leben immer wieder zu meistern - im Politischen wie im Privaten. // Für unzählige ist es die Familie, die ihnen Geborgenheit und das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Bei anderen sind es Freunde und Wahlverwandte, die sie motivieren, stützen und tragen. // Aber es ist doch auch das Weihnachtsfest selbst mit seiner Botschaft, die uns in schwierigen Zeiten hilft, Wege der Mitmenschlichkeit zu finden. // Die Heilige Schrift der Christen erzählt davon, dass sich im Weihnachtsgeschehen die Menschenfreundlichkeit Gottes zeigt. Es ist schön, von dieser Menschenfreundlichkeit umfangen zu werden. Aber noch schöner ist es, diese Menschenfreundlichkeit selbst zu leben und in unsere Welt hinein zu tragen. // Mit dieser leisen Ermutigung wünsche ich uns allen, dass wir ein frohes und gesegnetes Weihnachten feiern können und miteinander in ein neues gutes Jahr gehen.
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Joachim Gauck
Herr Präsident des Deutschen Bundestages! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger aus dem In- und Ausland! // Zunächst Ihnen, Herr Präsident, meinen allerherzlichen Dank für die unnachahmliche Führung dieser Sitzung und für das leuchtende Beispiel in unser Land hinein, dass Politik Freude machen kann. Herr Bundesratspräsident, Sie haben Worte gefunden, die bei mir und sicher auch bei Herrn Bundespräsidenten Wulff ein tiefes und nachhaltiges Echo hinterlassen haben. Ich danke Ihnen. // Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, wie soll es denn nun aussehen, dieses Land, zu dem unsere Kinder und Enkel einmal sagen sollen "unser Land"? Geht die Vereinzelung in diesem Land weiter? Geht die Schere zwischen Arm und Reich weiter auf? Verschlingt uns die Globalisierung? Werden Menschen sich als Verlierer fühlen, wenn sie an den Rand der Gesellschaft geraten? Schaffen ethnische oder religiöse Minderheiten in gewollter oder beklagter Isolation Gegenkulturen? Hat die europäische Idee Bestand? Droht im Nahen Osten ein neuer Krieg? Kann ein verbrecherischer Fanatismus in Deutschland wie in anderen Teilen der Welt weiter friedliche Menschen bedrohen, einschüchtern und ermorden? // Jeder Tag, jede Begegnung mit den Medien bringt eine Fülle neuer Ängste und Sorgen hervor. Manche ersinnen dann Fluchtwege, misstrauen der Zukunft, fürchten die Gegenwart. Viele fragen sich: Was ist das eigentlich für ein Leben, was ist das für eine Freiheit? Mein Lebensthema "Freiheit" ist dann für sie keine Verheißung, kein Versprechen, sondern nur Verunsicherung. Ich verstehe diese Reaktion, doch ich will ihr keinen Vorschub leisten. Ängste - so habe ich es gelernt in einem langen Leben - vermindern unseren Mut wie unser Selbstvertrauen, und manchmal so entscheidend, dass wir beides ganz und gar verlieren können, bis wir gar Feigheit für Tugend halten und Flucht für eine legitime Haltung im politischen Raum. // Stattdessen - da ich das nicht will - will ich meine Erinnerung als Kraft und Kraftquelle nutzen, mich und uns zu lehren und zu motivieren. Ich wünsche mir also eine lebendige Erinnerung auch an das, was in unserem Land nach all den Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur und nach den Gräueln des Krieges gelungen ist. In Deutschlands Westen trug es, dieses Gelungene, als Erstes den Namen "Wirtschaftswunder". Deutschland kam wieder auf die Beine. Die Vertriebenen, gar die Ausgebombten erhielten Wohnraum. Nach Jahren der Entbehrung nahm der Durchschnittsbürger teil am wachsenden Wohlstand, freilich nicht jeder im selben Maße. // Allerdings sind für mich die Autos, die Kühlschränke und all der neue Glanz einer neuen Prosperität nicht das Wunderbare jenes Jahrzehnts. Ich empfinde mein Land vor allem als ein Land des "Demokratiewunders". Anders als es die Alliierten damals nach dem Kriege fürchteten, wurde der Revanchismus im Nachkriegsdeutschland nie mehrheitsfähig. Es gab schon ein Nachwirken nationalsozialistischer Gedanken, aber daraus wurde keine wirklich gestaltende Kraft. Es entstand stattdessen eine stabile demokratische Ordnung. Deutschland West wurde Teil der freien westlichen Welt. // Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte in dieser Zeit blieb allerdings defizitär. Die Verdrängung eigener Schuld, die fehlende Empathie mit den Opfern des Naziregimes prägten den damaligen Zeitgeist. Erst die 68er-Generation hat das nachhaltig geändert. Damals war meine Generation konfrontiert mit dem tiefschwarzen Loch der deutschen Geschichte, als die Generation unserer Eltern sich mit Hybris, Mord und Krieg gegen unsere Nachbarn im Inneren wie im Äußeren vergingen. Es war und blieb das Verdienst dieser Generation, der 68er: Es war ein mühsam errungener Segen, sich neu, anders und tiefer erinnern zu können. Trotz aller Irrwege, die sich mit dem Aufbegehren der 68er auch verbunden haben, hat sie die historische Schuld ins kollektive Bewusstsein gerückt. // Diese auf Fakten basierende und an Werten orientierte Aufarbeitung der Vergangenheit wurde nicht nur richtungsweisend für uns nach 1989 in Ostdeutschland. Sie wird auch als beispielhaft von vielen Gesellschaften empfunden, die ein totalitäres oder despotisches Joch abgeschüttelt haben und nicht wissen, wie sie mit der Last der Vergangenheit umgehen sollen. // Das entschlossene Ja der Westdeutschen zu Europa ist ein weiteres kostbares Gut der deutschen Nachkriegsgeschichte, ein Erinnerungsgut, das uns wichtig bleiben sollte. Konrad Adenauer, Kanzler des Landes, das eben noch geprägt und dann ruiniert war vom Nationalismus, wird zu einem der Gründungsväter einer zukunftsgerichteten europäischen Integration. Dankbarkeit und Freude! // So wie später - 1989 - dieser nächste Schatz in unserem Erinnerungsgut. Da waren die Ostdeutschen zu einer friedlichen Revolution imstande, zu einer friedlichen Freiheitsrevolution. Wir wurden das Volk, und wir wurden ein Volk. Und nie vergessen: Vor dem Fall der Mauer mussten sich die vielen ermächtigen. Erst wenn die Menschen aufstehen und sagen: "Wir sind das Volk", werden sie sagen können: "Wir sind ein Volk", werden die Mauern fallen. // Damals wurde auf ganz unblutige Weise auch der jahrzehntelange Ost-West-Gegensatz aus den Zeiten des Kalten Krieges gelöscht, und die aus ihr erwachsende Kriegsgefahr wurde besiegt und beseitigt. // Der Sinn dessen, dass ich so spreche, ist, dass ich nicht nur über die Schattenseiten, über Schuld und Versagen sprechen möchte. Auch jener Teil unserer Geschichte darf nicht vergessen sein, der die Neugründung einer politischen Kultur der Freiheit, die gelebte Verantwortung, die Friedensfähigkeit und die Solidarität unseres Volkes umfasst. Das ist kein Paradigmenwechsel in der Erinnerungskultur. Das ist eine Paradigmenergänzung. Sie soll uns ermutigen: Das, was mehrfach in der Vergangenheit gelungen ist, all die Herausforderungen der Zeit anzunehmen und sie nach besten Kräften - wenn auch nicht gleich ideal - zu lösen, das ist eine große Ermutigung auch für uns in der Zukunft. // Wie soll es nun also aussehen, dieses Land, zu dem unsere Kinder und Enkel "unser Land" sagen? Es soll "unser Land" sein, weil "unser Land" soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Aufstiegschancen verbindet. Der Weg dazu ist nicht der einer paternalistischen Fürsorgepolitik, sondern der eines Sozialstaates, der vorsorgt und ermächtigt. Wir dürfen nicht dulden, dass Kinder ihre Talente nicht entfalten können, weil keine Chancengleichheit existiert. Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen den Eindruck haben, Leistung lohne sich für sie nicht mehr und der Aufstieg sei ihnen selbst dann verwehrt, wenn sie sich nach Kräften bemühen. Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen den Eindruck haben, sie seien nicht Teil unserer Gesellschaft, weil sie arm oder alt oder behindert sind. // Freiheit ist eine notwendige Bedingung von Gerechtigkeit. Denn was Gerechtigkeit - auch soziale Gerechtigkeit - bedeutet und was wir tun müssen, um ihr näherzukommen, lässt sich nicht paternalistisch anordnen, sondern nur in intensiver demokratischer Diskussion und Debatte klären. Umgekehrt ist das Bemühen um Gerechtigkeit unerlässlich für die Bewahrung der Freiheit. Wenn die Zahl der Menschen wächst, die den Eindruck haben, ihr Staat meine es mit dem Bekenntnis zu einer gerechten Ordnung in der Gesellschaft nicht ernst, sinkt das Vertrauen in die Demokratie. "Unser Land" muss also ein Land sein, das beides verbindet: Freiheit als Bedingung für Gerechtigkeit - und Gerechtigkeit als Bedingung dafür, Freiheit und Selbstverwirklichung erlebbar zu machen. // In "unserem Land" sollen auch alle zu Hause sein können, die hier leben. Wir leben inzwischen in einem Staat, in dem neben die ganz selbstverständliche deutschsprachige und christliche Tradition Religionen wie der Islam getreten sind, auch andere Sprachen, andere Traditionen und Kulturen, in einem Staat, der sich immer weniger durch nationale Zugehörigkeit seiner Bürger definieren lässt, sondern durch ihre Zugehörigkeit zu einer politischen und ethischen Wertegemeinschaft, in dem nicht ausschließlich die über lange Zeit entstandene Schicksalsgemeinschaft das Gemeinwesen bestimmt, sondern zunehmend das Streben der Unterschiedlichen nach dem Gemeinsamen: diesem unseren Staat in Europa. // Und wir finden dieses Gemeinsame in diesem unseren Staat in Europa, in dem wir in Freiheit, Frieden und in Solidarität miteinander leben wollen. // Wir wären allerdings schlecht beraten, wenn wir aus Ignoranz oder falsch verstandener Korrektheit vor realen Problemen die Augen verschließen würden. Hierauf hat bereits Bundespräsident Johannes Rau in seiner Berliner Rede vor zwölf Jahren eindrücklich und deutlich hingewiesen. Aber in Fragen des Zusammenlebens dürfen wir uns eben nicht letztlich von Ängsten, Ressentiments und negativen Projektionen leiten lassen. Für eine einladende, offene Gesellschaft hat Bundespräsident Christian Wulff in seiner Amtszeit nachhaltige Impulse gegeben. Herr Bundespräsident Wulff, dieses - Ihr - Anliegen wird auch mir beständig am Herzen liegen. // Unsere Verfassung, meine Damen und Herren, spricht allen Menschen dieselbe Würde zu, ungeachtet dessen, woher sie kommen, woran sie glauben oder welche Sprache sie sprechen. Sie tut dies nicht als Belohnung für gelungene Integration, sie versagt dies aber auch nicht als Sanktion für verweigerte Integration. Unsere Verfassung wie unser Menschsein tragen uns auf, im Anderen geschwisterlich uns selbst zu sehen: begabt und berechtigt zur Teilhabe wie wir. // Der Philosoph Hans-Georg Gadamer war der Ansicht, nach den Erschütterungen der Geschichte erwarte speziell uns in Europa eine "wahre Schule" des Miteinanders auf engstem Raum. "Mit dem Anderen leben, als der Andere des Anderen leben." Darin sah er die ethische und politische Aufgabe Europas. Dieses Ja zu Europa gilt es nun ebenfalls zu bewahren. Gerade in Krisenzeiten ist die Neigung, sich auf die Ebene des Nationalstaats zu flüchten, besonders ausgeprägt. Das europäische Miteinander ist aber ohne den Lebensatem der Solidarität nicht gestaltbar. // Gerade in der Krise heißt es deshalb: Wir wollen mehr Europa wagen. // Mit Freude sehe ich auch, dass die Mehrheit der Deutschen diesem europäischen Gedanken wieder und weiter Zukunft gibt. // Europa war für meine Generation Verheißung - aufbauend auf abendländischen Traditionen, dem antiken Erbe einer gemeinsamen Rechtsordnung, dem christlichen und jüdischen Erbe. Für meine Enkel ist Europa längst aktuelle Lebenswirklichkeit mit grenzüberschreitender Freiheit und den Chancen und Sorgen einer offenen Gesellschaft. Nicht nur für meine Enkel ist diese Lebenswirklichkeit ein wunderbarer Gewinn. // Wie kann es noch aussehen, dieses Land, zu dem unsere Kinder und Enkel "unser Land" sagen sollen? Nicht nur bei uns, sondern auch in Europa und darüber hinaus ist die repräsentative Demokratie das einzig geeignete System, Gruppeninteressen und Gemeinwohlinteressen auszugleichen. // Das Besondere dieses Systems ist nicht seine Vollkommenheit, sondern dass es sich um ein lernfähiges System handelt. // Neben den Parteien und anderen demokratischen Institutionen existiert aber eine zweite Stütze unserer Demokratie: die aktive Bürgergesellschaft. Bürgerinitiativen, Ad-hoc-Bewegungen, auch Teile der digitalen Netzgemeinde ergänzen mit ihrem Engagement, aber auch mit ihrem Protest die parlamentarische Demokratie und gleichen Mängel aus. Und: Anders als die Demokratie von Weimar verfügt unser Land über genügend Demokraten, die dem Ungeist von Fanatikern, Terroristen und Mordgesellen wehren. Sie alle bezeugen - aus unterschiedlichen politischen oder religiösen Gründen: Wir lassen uns unsere Demokratie nicht wegnehmen, wir stehen zu diesem Land. // Wir stehen zu diesem Land, nicht weil es so vollkommen ist, sondern weil wir nie zuvor ein besseres gesehen haben. // Speziell zu den rechtsextremen Verächtern unserer Demokratie sagen wir mit aller Deutlichkeit: Euer Hass ist unser Ansporn. Wir lassen unser Land nicht im Stich. // Wir schenken Euch auch nicht unsere Angst. Ihr werdet Vergangenheit sein und unsere Demokratie wird leben. // Die Extremisten anderer politischer Richtungen werden unserer Entschlossenheit in gleicher Weise begegnen. Und auch denjenigen, die unter dem Deckmantel der Religion Fanatismus und Terror ins Land tragen und die hinter die europäische Aufklärung zurückfallen, werden wir Einhalt gebieten. Ihnen sagen wir: Die Völker ziehen in die Richtung der Freiheit. Ihr werdet den Zug vielleicht behindern, aber endgültig aufhalten könnt ihr ihn nicht. // Mir macht allerdings auch die Distanz vieler Bürgerinnen und Bürger zu den demokratischen Institutionen Angst: die geringe Wahlbeteiligung, auch die Geringschätzung oder gar Verachtung von politischem Engagement, von Politik und Politikern. "Was?", so hören wir es oft im privaten Raum, "Du gehst zur Sitzung eines Ortsvereins?" "Wie bitte, Du bist aktiv in einer Gewerkschaft?" Manche finden das dann "uncool". Ich frage mich manchmal: Wo wäre eigentlich unsere Gesellschaft ohne derlei Aktivitäten? // Wir alle haben nichts von dieser Distanz zwischen Regierenden und Regierten. Meine Bitte an beide, an Regierende wie Regierte, ist: Findet Euch nicht ab mit dieser zunehmenden Distanz. // Für die politisch Handelnden heißt das: Redet offen und klar, dann kann verloren gegangenes Vertrauen wiedergewonnen werden. // Den Regierten, unseren Bürgern, muten wir zu: Ihr seid nicht nur Konsumenten. Ihr seid Bürger, das heißt Gestalter, Mitgestalter. Wem Teilhabe möglich ist und wer ohne Not auf sie verzichtet, der vergibt eine der schönsten und größten Möglichkeiten des menschlichen Daseins: Verantwortung zu leben. // Zum Schluss erlaube ich mir, Sie alle um ein Geschenk zu bitten: um Vertrauen. Zuletzt bitte ich Sie um Vertrauen in meine Person. Davor aber bitte ich Sie um Vertrauen zu denen, die in unserem Land Verantwortung tragen, wie ich diese um Vertrauen zu all den Bewohnern dieses wiedervereinigten und erwachsen gewordenen Landes bitte. Und davor wiederum bitte ich Sie alle, mutig und immer wieder damit zu beginnen, Vertrauen in sich selbst zu setzen. Nach einem Wort Gandhis kann nur ein Mensch mit Selbstvertrauen Fortschritte machen und Erfolge haben. Dies gilt für einen Menschen wie für ein Land, so Gandhi. // Ob wir den Kindern und Enkeln dieses Landes Geld oder Gut vererben werden, das wissen wir nicht. Aber dass es möglich ist, nicht den Ängsten zu folgen, sondern den Mut zu wählen, davon haben wir nicht nur geträumt, sondern das haben wir gelebt und gezeigt. Gott und den Menschen sei Dank: Dieses Erbe dürfen sie erwarten.
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Joachim Gauck
In tiefer Trauer verneigen wir uns vor Richard von Weizsäcker, einem großen Deutschen und einem herausragenden Präsidenten. Wie nur wenige stand er für unser Land - und wie nur wenige hat er für unser Land weltweit Achtung und Sympathie erworben. // Die deutsche Geschichte hat ihn geprägt. Und er hat selber tiefe Spuren in der Geschichte unseres Landes hinterlassen. Richard von Weizsäcker hat uns in den langen Jahren seines Wirkens Inspiration und Orientierung gegeben. // Wir waren es gewohnt, ihn bis ins hohe Alter zu wesentlichen Fragen zu hören. Seine Stimme, seine Art zu denken und zu sprechen, sind uns in den Jahrzehnten seines Wirkens so vertraut geworden wie die eines väterlichen Freundes. Er war ein Pater Patriae, so hätte man es früher gesagt. Er war uns vertraut - und wir haben Vertrauen zu ihm gehabt. // Wenn auch nicht jeder mit allem einverstanden gewesen ist, was er gesagt hat, so haben wir doch immer gewusst: Was er sagt, ist die Frucht einer großen Lebenserfahrung, eines unabhängigen Geistes und einer gründlichen Gewissensbefragung. Weil er nicht auf schnellen Applaus aus war, sondern auf Mitdenken; weil er auf die Kraft des Arguments baute und nicht auf schnelle Überredung; weil er auch beim Anderen voraussetzte, was ihn selber leitete: der Wille zum moralisch begründeten Handeln. All das hat dazu beigetragen, dass er glaubwürdig war. // Im Grundgesetz steht nicht geschrieben, dass ein Bundespräsident eine moralische Instanz zu sein hat. Es ist auch nicht vorgeschrieben, dass er intelligent sein, der sittlichen Vernunft folgen und auch noch durch tiefgründige Reden überzeugen können soll. Aber Richard von Weizsäcker hat all dies beherrscht oder hat es gelebt - souverän, freundlich und selbstverständlich. // Er hat damit Maßstäbe für das Amt gesetzt. Das galt für seine vielbewunderte Fähigkeit, unter praktisch allen Umständen Würde und Souveränität auszustrahlen. Er überzeugte besonders, weil Amt und Person so passgenau zur Deckung kamen. Und weil seine Reden und seine Handlungen, seine ganze Unabhängigkeit so sehr dem entsprachen, was die Deutschen sich von einem Staatsoberhaupt wünschten. // Das galt übrigens nicht nur für die Bundesdeutschen der Bonner Republik. Auch für uns Deutsche in der DDR war er eine Integrationsfigur. Mit unzähligen Menschen in der DDR wünschte ich einst, er könnte auch unser Präsident sein. Später wurde er zu unser aller Glück der erste Bundespräsident im wiedervereinigten Land. Er war es, der 1987 zu Michail Gorbatschow, der damals von einer "offenen deutschen Frage" nichts wissen wollte, gesagt hatte: "Die deutsche Frage ist offen, solange das Brandenburger Tor zu ist". // Die äußerlich wahrnehmbare Souveränität kann nur dem gelingen, dessen Souveränität aus innerer Stärke kommt. // Woher die innere Stärke dieses Mannes kam, bleibt letztlich, wie bei jedem Menschen, ein Geheimnis. Aber wir dürfen schon vermuten, dass seine Erziehung dazu beitrug: in einer Familie, in der der Dienst am Gemeinwesen in hohen und höchsten Ämtern über Generationen üblich war. // Die Erfahrung mit seinem Vater hat ihn andererseits auch gelehrt, vor welche Gewissensfragen ein solcher Dienst einen Menschen stellen kann. Wohl sein Leben lang hat er sich innerlich mit seinem Vater auseinandergesetzt, dem Staatssekretär im nationalsozialistischen Deutschland, den er, nicht nur vor dem Nürnberger Gericht, sondern immer verteidigt hat. // Geprägt haben ihn gewiss auch seine eigenen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg: Schon am ersten Tag des Krieges musste er dabei sein, als die Wehrmacht in Polen einmarschierte. Am zweiten Tag wurde sein Bruder, wenige hundert Meter von ihm entfernt, tödlich verletzt. Der Kriegsteilnehmer von Weizsäcker hat vieles gesehen, vieles erlebt und später vieles verarbeiten müssen. Er hat darüber nur wenig gesprochen. Aber zeitlebens hat ihm die eigene Zeit mit ihren Brüchen und Kontinuitäten vor Augen gestanden. Das hat ihn nicht nur zu einem Zeugen der Zeiten, sondern später zu einem Deuter der Zeit gemacht. // Und ganz gewiss haben ihn die Erfahrungen seiner jungen Jahre zu einem überzeugten Demokraten gemacht. Auch dass eine Demokratie wehrhaft und stark sein muss, war ihm bewusst als eine nie zu vergessende Lehre aus dem Scheitern von Weimar. // Dass Politik im demokratischen Rechtsstaat durch Parteien gestaltet wird, war Richard von Weizsäcker vollkommen klar. Er ist 1954 Mitglied der CDU geworden, und ohne diese Mitgliedschaft hätte er damals keine politischen Ämter erreichen können. Sein "Ja" zur Parteiendemokratie hinderte ihn nicht, später auf die Gefahr hinzuweisen, dass Parteien versucht sein können, den eigenen Machterhalt vor das Interesse des Gemeinwesens zu setzen. // Freiheitliche Gesinnung und demokratische Überzeugung bedeuteten für ihn nicht, sich immer der Mehrheit zu fügen. 1972 stellte er sich gegen die überwältigende Mehrheit seiner Bundestagsfraktion und kündigte an, für die Annahme der Ostverträge stimmen zu wollen. Sein politischer Einsatz führte letztlich dazu, dass sich die allermeisten Abgeordneten von CDU und CSU der Stimme enthielten. So half er, diese Verträge und damit die historische Leistung von Bundeskanzler Willy Brandt zu ratifizieren. // Ohne die enge Einbindung in das Atlantische Bündnis je in Frage zu stellen, knüpfte er an sein eigenes langjähriges und leidenschaftliches Engagement für eine Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn Deutschlands an. Richard von Weizsäcker war nicht nur 1965 an der Formulierung der wegweisenden Ostdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland beteiligt. Durch vielerlei Kontakte knüpfte er Bande des Vertrauens, die sich als haltbar erwiesen und die sich später, bei der Überwindung der Teilung Europas, als ungemein wichtig herausstellten. Angesichts seines Todes sind deshalb gerade aus Polen große Zeichen der Anteilnahme gekommen. // Es war nicht immer einfach, seine eigenen Parteifreunde von der Richtigkeit dieses Weges zu überzeugen. Auch die Gelassenheit, mit der er den Protestbewegungen der 1980er Jahre begegnete, als Regierender Bürgermeister von Berlin sogar den Hausbesetzern, betrachtete mancher aus dem konservativen Milieu mit Skepsis. Aber er half doch damit, die Verankerung des demokratischen Staates in den Köpfen und Herzen gerade der kritischen Geister zu stärken. Auch so wurde Richard von Weizsäcker zu einem der glaubwürdigsten Repräsentanten dieser Republik, gerade für die jüngere Generation. // Zu seiner inneren Stärke und zu seiner klaren Orientierung trug nicht zuletzt sein christlicher Glaube bei. Bei Richard von Weizsäcker waren Wort und Tat erkennbar die eines engagierten Christen. Die Aufgabe, die er lange Jahre als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages wahrgenommen hat, sie hat ihm entsprochen. // Von großer Bedeutung war für ihn die Kraft, die er aus seiner Familie schöpfte und ganz besonders aus der jahrzehntelangen Liebe zu und von seiner Frau Marianne. // Liebe, verehrte Frau von Weizsäcker, wir alle konnten sehen, was Sie beide einander bedeuteten. Deshalb sind wir Ihnen auch dankbar für Ihre Unterstützung dieser bedeutenden Präsidentschaft. Und es ist uns ein tiefes Bedürfnis, in diesen Tagen des Abschieds Ihren Schmerz mitzutragen. Wenn schon für uns, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, der Tod Richard von Weizsäckers ein so großer Verlust ist, dann erst recht doch für seine Familie, seine Kinder, seine Enkel, auch für seine Freunde. Ihnen allen gilt unser Mitgefühl. // Richard von Weizsäcker hat ein wahrhaft biblisches Alter erreicht. Er ist ein Zeuge des Jahrhunderts. In seiner Lebensgeschichte begegnet uns eine Existenz, die noch ganz andere Prägungen erfahren hat als unsere Gegenwart sie kennt. Als er im Stuttgarter Neuen Schloss geboren wurde, war die württembergische Monarchie, der sein Großvater noch gedient hatte, gerade einmal zwei Jahre abgeschafft. // Als gebürtiger Schwabe gehörte er einem Deutschen Reich an, das von Aachen bis Königsberg reichte. Und als er Bundespräsident wurde, gehörten nicht einmal mehr Erfurt und Weimar, Leipzig oder Dresden zu dem Staat, den er repräsentierte, nicht einmal "Unter den Linden" in Berlin oder die Wilhelmstraße, wo 40 Jahre zuvor das Auswärtige Amt seinen Sitz hatte, in dem sein Vater Dienst tat. All das gehörte nicht zu diesem Deutschland, dessen Präsident er wurde. // Richard von Weizsäcker wusste nicht nur intellektuell, was Deutschland durch Diktatur, Völkermord und Krieg verspielt hatte. Er erlebte es sozusagen mit seiner ganzen Biographie einschließlich seiner Familiengeschichte. Vielleicht war er deswegen - wagen wir es ruhig, dieses Wort zu benutzen: berufen dazu, uns Deutschen zu einer endgültigen Klarheit über den Krieg und seine Folgen zu verhelfen. // Im Leben eines jeden Menschen, da gibt es Momente, auf die gleichsam die ganze Existenz zuläuft, Augenblicke, in denen der Mensch "Ja" sagt zu dem, was unvertretbar auf ihn und niemanden anderes jetzt zukommt. Das war für den politischen Menschen Richard von Weizsäcker zweifellos seine Rede am 8. Mai 1985. // Richard von Weizsäcker hat sich mit dieser Rede um sein Vaterland verdient gemacht. Nicht, weil er gesagt hätte, was damals niemand gewusst hat. Er hat vielmehr das gesagt, was 1985 alle wissen mussten, was aber auch 1985 noch immer nicht alle wissen wollten. In einer langen und intensiven Vorbereitung dieser Rede hat er nicht nur Spuren aufgenommen, die frühere Bundespräsidenten gelegt hatten, hat nicht nur Stimmen und Stimmungen der bewegten Jahre nach 1968 wahrgenommen, sondern er hat all dem seine eigenen Erfahrungen beigefügt. Als Zeitgenosse des blutigen Jahrhunderts war es sein eigenes inneres "Ja", das ihn zu einer Erkenntnis geführt hat, die die Öffentlichkeit als Bekenntnis empfunden hat. Es war ein Bekenntnis. // Die zentralen Sätze beschrieben die Erkenntnis, dass die schlimmen Leiden, die die Deutschen selbst erlebten am Kriegsende, nicht als unverschuldetes Schicksal über uns gekommen waren: "Wir dürfen nicht im Ende des Krieges die Ursache für Flucht, Vertreibung und Unfreiheit sehen. Sie liegt vielmehr in seinem Anfang und im Beginn jener Gewaltherrschaft, die zum Krieg führte. Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen." Seine Worte. // Als er mit der Autorität des Staatsoberhauptes den 8. Mai einen Tag der Befreiung nannte, vergaß er nicht diejenigen, für die mit diesem Tag das Schlimmste noch lange nicht zu Ende war oder gar erst begann. Aber für Viele hat er damit dem Lavieren ein Ende gesetzt, so dass sie nun freier in die Vergangenheit sehen und in die Zukunft gehen konnten. Im Laufe der Zeit wuchs deswegen die Zustimmung zu dieser Rede auch bei denen, die erst nicht applaudieren konnten. // Und noch etwas: Richard von Weizsäcker förderte mit dieser Rede und mit seiner Haltung den Mut zur Wahrhaftigkeit. Er lebte diese Wahrhaftigkeit hier selber vor. In dieser Rede ist in eindringlichen Worten ausgedrückt, dass Menschen, dass wir aus eigener Kraft und aus eigener Erkenntnis jene Einsichten formulieren konnten, die uns befreiten zu einem neuen Selbstverständnis. Es waren nicht zuletzt diese Rede und - vergessen wir es nicht - die Politik des Bundeskanzlers Helmut Kohl, die in der Welt das Vertrauen in ein wahrhaft gewandeltes Deutschland befestigten, ein Vertrauen, das den Prozess der Vereinigung Deutschlands enorm unterstützt hat. // So sind wir dankbar, wenn wir zurückschauen: Wir sehen Richard von Weizsäcker, den Mann, der mit der Geschichte und aus der Geschichte lebte - und gerade so den Fragen der Gegenwart ungewöhnlich offen zugetan war; einen Mann, der wusste, was pragmatisches Regieren bedeutete - und gerade deshalb eine Politik ohne Wertegrundlage ablehnte; einen eminent politischen Präsidenten, der notwendigen Kontroversen nicht aus dem Wege ging - und trotzdem auf Konsens zielte; einen Mann des disputierenden Abwägens, vertraut mit den Ambivalenzen und Paradoxien der Politik - und gleichzeitig fähig zu glasklarer Eindeutigkeit in Grundfragen. // In ihm, Richard von Weizsäcker, sahen die meisten Deutschen die Verkörperung guter Präsidentschaft. Das war für die Befreundung der Deutschen mit ihrem Land, mit ihrer Demokratie wichtig. Wir könnten es auch einfacher sagen: Indem sie ihn mochten, lernten die Deutschen sich selber zu mögen. Etwas Heilendes war mit ihm in das politische Leben gekommen. Denn nur wer Vertrauen zu sich selbst hat, wird erfahren, dass auch andere ihm vertrauen. // In tiefer und großer Dankbarkeit tragen wir ihn jetzt hier in Berlin zu Grabe, in der Stadt, die auch durch seinen leidenschaftlichen Einsatz die Hauptstadt eines vereinten Deutschlands geworden ist. // Wir verneigen uns vor Richard von Weizsäcker, einem großen Bundespräsidenten, der, als es an ihm war, das Richtige sagte und das Richtige tat.
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Jean Genet
Die Laster der Mehrheit nennt man Tugenden.
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Günter Grass
Eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung entspräche dem begründeten Willen der Mehrheit der Bürger.
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Franz Grillparzer
Denn selbst der Bösewicht will nur für sich / als einzeln ausgenommen sein vom Recht, / die andern wünscht er vom Gesetz gebunden, / damit vor Räuberhand bewahrt sein Raub. / Die andern denken gleich in gleichem Falle, / und jeder Schurk' ist einzeln gegen alle; / die Mehrheit siegt, und mit ihr siegt das Recht.
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Johannes Gross
Wo liegt die politische Mitte? Da, wo die Mehrheit ist.
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Elfriede Hablé
Selbst in der Demokratie hat die Minderheit Recht, jedoch die Mehrheit bekommt es.
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John Edgar Hoover
Es gibt Menschen, die sich nicht vorstellen können, daß auch die Mehrheit einmal Recht hat.
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Joseph Joubert
Politik ist die Kunst, die Menge oder die Mehrheit zu kennen und zu leiten; ihr Ruhm ist nicht, sie dahin zu leiten, wohin sie will, sondern wohin sie muß.
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Hans Kasper
Echte Mehrheiten sind die, in deren Reihen sich auch die Mehrheit der Verständigen befindet.