Zitate von Alfred Payrleitner

Was war die Vaterländische Front? Wer ging zu den Sturmscharen? Wo stand der Landbund? Welche Fraktion der österreichischen Linken galt als die der Febristen? Würde man bei Armin Assingers Millionenshow solche Fragen stellen, würden die Kandidaten wohl kaum zu Preisen gelangen. Wogegen die Frontstellungen des amerikanischen Bürgerkriegs dank Hollywood weitaus plastischer ins Bewußtsein gedrungen sein dürften. "Faschismus" ist durch seinen polemischen Allerweltsgebrauch zur Worthülse verschlampt. In welch vielfältiger Variation er auftrat, welche historischen Ursachen er hatte, ist ungleich weniger bekannt. Die Lebensbedingungen, das außenpolitische Umfeld, die Mentalitäten haben sich so stark gewandelt, daß die politischen Orientierungen und Motive des vorigen Jahrhunderts kaum noch verständlich sind. Doch ihre Auswirkungen reichen trotzdem bis in die Gegenwart. Die VF, die Vaterländische Front, zu deren Mitgliedern auch ein Rudolf Kirchschläger zählte, war ursprünglich eine autoritäre Sammlungsbewegung, die ab 1933, nach Hitlers Machtergreifung in Deutschland, "dem nationalsozialistischen Terror einen noch ärgeren österreichischen Terror" entgegensetzen wollte (der Heimwehrführer Ernst-Rüdiger von Starhemberg in seinen Memoiren). Der politische Kampf wurde damals nicht per TV Konfrontationen, sondern auf der Straße, mit Massenaufmärschen und bewaffneten Parteiarmeen ausgetragen. Jeder vierte Österreicher war arbeitslos. Die Angst vor der gewaltsamen Machtergreifung der jeweils anderen war maßlos. Die Linke beschwor mit einem Wortkult revolutionärer Veränderungen die Zukunft, die Rechte flüchtete ins Mittelalter. Die Prägung durch den Ersten Weltkrieg militarisierte beide. "Die Sakralisierung des Politischen manifestierte sich in einer fortschreitenden Uniformierung und mentalen Fundierung einer Kultur der Gewalt", schreibt der Salzburger Historiker Robert Kriechbaumer. Demgemäß die Wortwahl - vom Klassenkampf bis zu den diversen "Fronten". Am Ende, so Kriechbaumer, war die VF freilich nur ein "obrigkeitlich-bürokratisches Konstrukt" in einer seltsam kraftlosen Diktatur, die dem jugendlichen Elan der NS-Bewegung unterlag. Die Symbole und Bezeichnungen von damals, ihre Mythen und Gefühle sind heute schwer nachzuempfinden. Sie sind das Merkmal maßlos verunsicherter Köpfe, wie immer, wenn sich noch nie Dagewesenes ereignet. Bei einem älteren Historiker des Austromarxismus, Joseph Buttinger, kann man nachlesen, wie groß die Verwirrung auch bei der Linken war. Dazu stand Österreich außenpolitisch letztlich allein, ein aufgegebener Geschichtsrest in Mitteleuropa. Heute drängt sich alles um die "Mitte" und die Demokratie ist in einer größeren Gemeinschaft abgesichert. In dem angekündigten "Haus der Geschichte" sollte endlich versucht werden, Relationen und Stimmungsgehalte dieser Epoche über das Buchwissen hinaus zu vermitteln.

Informationen über Alfred Payrleitner

Journalist, Hauptabteilungsleiter "Bildung und Zeitgeschehen" bis 31. 8. 1997 im ORF, "Universum", "Modern Times" (Österreich, 1935).


Alfred Payrleitner · Geburtsdatum

Alfred Payrleitner ist heute 89 Jahre, 1 Monat, 9 Tage oder 32.548 Tage jung.

Geboren am 10.03.1935 in Wien
Sternzeichen: ♓ Fische


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